Arbeitsrecht
Der neugierige Personalchef
Die Aussicht auf ein Vorstellungsgespräch bei einem potenziellen neuen Arbeitgeber löst bei Stellenbewerber zwiespältige Reaktionen aus:
Einerseits Freude über die Chance, sich beruflich zu verändern; andererseits die Sorge, sich durch eine unüberlegte Antwort auf eine Frage des Arbeitgebers den neuen Job zu verbauen.
Unabhängig von den psychologischen Aspekten, die bei der Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch zu beachten sind, sollten sich Bewerber vorab vergegenwärtigen, welche Fragen des Arbeitgebers sie überhaupt wahrheitsgemäß beantworten müssen. Von besonderer Bedeutung ist diese Frage, weil der Arbeitgeber im Falle der falschen Beantwortung einer zulässigen Frage die Möglichkeit hat, seine zum Abschluss des Arbeitsvertrages führende Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Die Anfechtungsfrist beträgt ein Jahr ab Kenntnis von der Täuschung, so dass der Arbeitnehmer, der eine zulässige Frage falsch beantwortet, lange Zeit mit einer erheblichen Unsicherheit des Arbeitsverhältnisses betreffend leben muss. Im Allgemeinen lässt das sich sagen, dass die Fragen des Arbeitgebers zulässig sind, an deren wahrheitsgemäßer Beantwortung ein berechtigtes und schützenswertes Interesse des Arbeitgebers besteht. Wann dies der Fall ist, hat die Rechtsprechung in verschiedenen Fallgruppen entschieden. So ist etwa die Frage nach einer Schwangerschaft absolut unzulässig, da sie eine Benachteiligung wegen des Geschlechts darstellt. Eine Arbeitnehmerin, die hiernach befragt wird, steht ein “Recht zur Lüge” zu. Sie darf auch auf ausdrückliche Frage eine Schwangerschaft verschweigen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Dies gilt seit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) vom 06.02.2003 (AZ: 2 AZR 621/01) selbst dann, wenn die angestrebte Beschäftigung von vornherein wegen eines Beschäftigungsverbotes unzulässig wäre, da die Schwangerschaft nur vorübergehender Natur ist. Umstritten war stets, ob der Arbeitgeber den Bewerber nach der Anerkennung einer Schwerbehinderung fragen darf. Nach der älteren Rechtsprechung des BAG war diese Frage zulässig, wenn dies auch bestritten war. Mit der Einführung des Verbots der Diskriminierung Schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter nach § 81 Abs. 2 SGB IX dürfte sich dies allerdings geändert haben, so dass davon auszugehen ist, dass eine derartige allgemeine Frage ohne Bezug zum konkreten Arbeitsplatz ebenfalls unzulässig sein dürfte und nicht wahrheitsgemäß zu beantworten ist.
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Etwas anderes dürfte allerdings dann gelten, wenn eine bestimmte körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit ist und die Frage somit einen konkreten Bezug zum Arbeitsplatz hat. Anderes gilt ferner dann, wenn der Arbeitgeber im Rahmen eines bereits begründeten Arbeitsverhältnisses den Arbeitnehmer nach einer Schwerbehinderung fragt, etwa um eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorzubereiten. In diesem Fall ist der Arbeitnehmer zur wahrheitsgemäßen Beantwortung verpflichtet und kann sich anderenfalls nicht darauf berufen, dass der Arbeitgeber in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft gesetzliche Schutzvorschriften zugunsten des Schwerbehinderten nicht beachtet hat (Urteil des BAG vom 15.02.2012, AZ: 6 AZR 553/10).
Bei Fragen, die das Vorleben und den persönlichen Lebensbereich des Bewerbers betreffen, ist stets zu prüfen, ob ein konkreter Bezug zu dem jeweiligen Arbeitsplatz besteht. So ist eine allgemeine Frage vom Personalchef nach Vorstrafen des Bewerbers nicht zulässig. Etwas anderes gilt im Falle eines konkreten Bezuges zu der in Aussicht gestellten Tätigkeit. Klassisches Beispiel ist die Frage nach Vorstrafen wegen Eigentums- und Vermögensdelikten bei der Besetzung einer Stelle z.B. als Kassierer.
Gleichfalls sind allgemeine Fragen zu einer Partei- oder Gewerkschaftsmitgliedschaft eines Bewerbers unzulässig. Ausnahmen können hier lediglich gelten, wenn es sich etwa um parteipolitisch gebundene Arbeitgeber handelt oder der Arbeitgeber die Frage nach einer Gewerkschaftsmitgliedschaft im Hinblick auf die (an sich unübliche) unterschiedliche Behandlung von Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtmitgliedern im Hinblick auf die Anwendung von Tarifverträgen im Betrieb stellt. Angesichts der Fülle von Fallgruppen kann dieser Artikel keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Im Einzelfall sollten sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer anwaltlichen Rat zur Beurteilung der Rechtslage hinzuziehen.
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