Familienrecht
Unterhaltsrecht: Corona-Kinderbonus und fiktive Einkünfte
Um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise abzumildern, erließ der Gesetzgeber am 29. Juni 2020 das Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz). Dieses Gesetz sieht in Artikel 9 die Änderung des Bundeskindergeldgesetzes dahin vor, dass für jedes Kind, welches in mindestens einem Kalendermonat des Jahres 2020 einen Anspruch auf Kindergeld hat, im September 2020 ein Einmalbetrag von 200,00 € und im Oktober 2020 ein Einmalbetrag von 100,00 € gezahlt wird.
Auch in diesem Jahr soll der Kinderbonus gezahlt werden, voraussichtlich im Mai 2021 in Höhe von 150,00 € pro Kind. Bei getrenntlebenden Eltern wird der Kinderbonus auf das Konto des Elternteils ausgezahlt, der auch das Kindergeld erhält. Wie aber wirkt sich der Kinderbonus auf den Unterhalt aus? Mit einem solchen Fall hatte sich das Amtsgericht Bergheim zu befassen. In seinem Beschluss vom 12.10.2020, Az. 61 F 80/20, setzte sich das Amtsgericht darüber hinaus mit der Frage auseinander, inwieweit fiktive Einkünfte auf Seiten des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen sind.
Hintergrund ist folgender Sachverhalt: Die minderjährige Antragstellerin lebt bei ihrer Mutter und begehrt die Zahlung des Mindestunterhalts von ihrem Vater. Dieser lebt seit 7 Jahren in Deutschland, spricht nur gebrochen Deutsch und verfügt über keine Ausbildung. Er arbeitet als Küchenhelfer, ist als Springer eingesetzt und verdient bei 130 Stunden im Monat rd. 1.300,00 € brutto.
Der Vater beruft sich darauf, dass sein Einkommen zur Zahlung des geltend gemachten Unterhalts nicht ausreiche. Eine Nebentätigkeit sei ihm darüber hinaus nicht möglich, weil er als Springer flexibel eingesetzt werde und nicht im voraus sagen könne, wann er arbeiten müsse. Für eine andere Tätigkeit fehle es ihm an ausreichenden Deutschkenntnissen.
Das Amtsgericht Bergheim hielt den Antrag des minderjährigen Kindes für begründet und verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung des geltend gemachten Mindestunterhalts. Zur Begründung berief sich das Gericht auf § 1603 Abs. 2 BGB. Danach sind Eltern ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, „alle verfügbaren Mittel“ einzusetzen. Daraus fließe – so das Gericht- eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Unterlässt der Unterhaltspflichtige eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, seien nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbaren Einkünfte zu berücksichtigen. Der Unterhaltsschuldner sei gehalten, jede ihm gesundheitlich zumutbare Arbeit anzunehmen, einen Orts- und Berufswechsel und ungünstigere Arbeitszeiten und -bedingungen in Kauf zu nehmen. Insbesondere sei der bereits vollschichtig berufstätige Unterhaltspflichtige, dessen Einkommen zur Erfüllung der Unterhaltspflicht nicht ausreicht, genötigt, eine Nebentätigkeit von bis zu 8 Stunden wöchentlich aufzunehmen. Unterlässt der Unterhaltspflichtige entsprechende Bemühungen in vorwerfbarer Weise, sei es gerechtfertigt, ihn so zu behandeln, als verfüge er tatsächlich über die erzielbaren Einkünfte.
Im zu entscheidenden Fall vertrat das Gericht die Auffassung, der Kindesvater habe nicht dargelegt, dass es ihm unmöglich wäre, eine andere Vollzeittätigkeit zum Mindestlohn auszuüben. Bewerbungsbemühungen habe der Kindesvater nicht entfaltet. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er erst seit 7 Jahren in Deutschland lebe hätte er genug Zeit gehabt, die deutsche Sprache zu erlernen. Dass ihm eine Tätigkeit auf dem Bau oder als Arbeiter in der Industrie unmöglich wäre, sei nicht ersichtlich und nicht vorgetragen.
Das Gericht legte daher auf Seiten des Unterhaltsschuldners Einkünfte aus einer Vollzeittätigkeit zum Mindestlohn sowie darüber hinaus aus einer Nebentätigkeit im Rahmen eines Minijobs zur arbeitsrechtlichen Höchstgrenze von insgesamt 48 Wochenstunden zugrunde und setzte ein Einkommen von insgesamt rd. 1.500,00 € netto an.
Der Unterhaltspflichtige war damit auch unter Berücksichtigung des ihm gegenüber minderjährigen Kindern zustehenden Selbstbehalts von 1.160,00 € in der Lage, den geltend gemachten Mindestunterhalt zu zahlen.
Der Kindesvater konnte allerdings den Kinderbonus, der an die Kindesmutter ausgezahlt wurde, auf den Unterhaltsbedarf des Kindes anrechnen. Da es sich bei dem Kinderbonus um Kindergeld handelt, wird er wie Kindergeld verrechnet, also hälftig vom Unterhalt abgezogen. Für September 2020 konnte der Kindesvater den Betrag von 100,00 € von dem zu zahlenden Unterhalt abziehen, für Oktober waren es 50,00 €. Sofern im Mai 2021 ein weiterer Kinderbonus in Höhe von 150,00 € gezahlt werden wird, können Unterhaltsschuldner den hälftigen Betrag, mithin 75,00 € vom zu zahlenden Unterhalt in Abzug bringen.
Wer zur Zahlung von Unterhalt für ein minderjähriges Kind herangezogen wird, muss auf der einen Seite sämtliche erdenklichen Bemühungen unternehmen, um Einkünfte zu erzielen, die ihn in die Lage versetzen, wenigstens den Mindestunterhalt zahlen zu können. Wenn das tatsächlich erzielte Einkommen aber nicht ausreicht, um den Mindestunterhalt zu zahlen, können auf der anderen Seite fiktive Einkünfte nicht in jedem Fall einkommenserhöhend zugrunde gelegt werden. Stets kommt es auf den konkreten Einzelfall an mit der Maßgabe, dass dem Betroffenen nur angeraten werden kann, fachanwaltlichen Rat einzuholen.
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