Familienrecht
Keine Adoption über den Kopf des Kindes hinweg
Die Annahme als Kind – Adoption – ist in den §§ 1741 ff BGB geregelt. Das BGB unterscheidet die Minderjährigen- und die Volljährigenadoption. Gem. § 1741 Abs. 1 BGB ist die Annahme als Kind zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht bzw. bereits entstanden ist. Die Adoption darf nicht nur der Weitergabe von Namen und Vermögen dienen.
Die Annahme als Kind erfolgt durch Beschluss des Familiengerichts auf Antrag des Annehmenden hin, welcher notariell beurkundet sein muss. Ein Ehepaar kann ein Kind nur gemeinschaftlich annehmen. Auch die Stiefkind-Adoption, bei der ein Ehegatte das aus einer früheren Verbindung stammende Kind seines Ehegatten annimmt, ist möglich. Ab einem Alter von 14 Jahren muss das anzunehmende Kind der Adoption zustimmen.
Das angenommene minderjährige Kind erlangt die rechtliche Stellung eines leiblichen Kindes des Annehmenden, § 1754 Abs. 2 BGB. Die Verwandtschaftsverhältnisse des angenommenen Kindes und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten der Ursprungsfamilie erlöschen. Dagegen beschränken sich die Wirkungen der Adoption bei der Volljährigenadoption auf den Annehmenden und den Angenommenen sowie dessen Abkömmlinge. Es findet keine Erstreckung der Adoptionswirkungen auf die Verwandten des Annehmenden (Eltern, Geschwister) statt. Auch die Verwandtschaftsverhältnisse des Angenommenen und seiner Abkömmlinge zu seinen leiblichen Verwandten werden durch die Annahme nicht berührt.
Darf eine Annahme als Kind zulässigerweise vom Familiengericht beschlossen werden, wenn das noch nicht 14 Jahre alte Kind überhaupt nicht weiß, dass es adoptiert werden soll? Mit einem solchen Fall hatte sich das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf in seinem Beschluss vom 28.11.2022- Az. 415c F 15/19 zu befassen. Folgender Sachverhalt lag zugrunde:
Die Anzunehmende ist die mittlerweile 10 Jahre alte leibliche Tochter der Ehefrau des Annehmenden. Der leibliche Vater ist unbekannt. Der Annehmende hat zwei volljährige Kinder aus erster Ehe, beide haben erklärt, dass sie keine Bedenken gegen die Adoption haben. Der Annehmende hat seine Ehefrau kennengelernt, als diese bereits mit der Anzunehmenden schwanger war. Seitdem leben sie als Paar zusammen und haben am 31.03.2017 geheiratet. Die Anzunehmende wird vom Annehmenden seit ihrer Geburt als leibliches Kind behandelt. Bislang wurde sie nicht darüber aufgeklärt, dass der Annehmende nicht ihr leiblicher Vater ist. Der Annehmende stellte beim
Familiengericht einen Adoptionsantrag.
Das Familiengericht bestellte eine Verfahrensbeiständin für das Kind. Mit dieser haben die leibliche Mutter und ihr Ehemann allerdings nicht kooperiert und ihr keinen Zugang zum Kind gewährt. Die Verfahrensbeiständin wies darauf hin, dass etwaig gewünschte erbrechtliche und Vorsorgeregelungen durch geeignete Instrumente auch ohne eine Annahme als Kind getroffen werden könnten und widersprach der Adoption ohne Beteiligung des Kindes.
Der Annehmende und die leibliche Mutter haben vorgetragen, dass einerseits die Adoption dem Kindeswohl diene und andererseits die Aufklärung des Kindes über den Verfahrensgegenstand und insbesondere die nicht bestehende leibliche Vaterschaft des Annehmenden dem Kindeswohl schade.
Das Amtsgericht wies den Adoptionsantrag zurück. Zwar könne unproblematisch von einem Eltern-Kind-Verhältnis ausgegangen werden, da die Anzunehmende seit ihrer Geburt mit dem Annehmenden in einem Haushalt lebt und ihn als ihren leiblichen Vater ansieht. Begründete Zweifel bestünden jedoch daran, dass die Adoption im derzeitigen Zeitpunkt das Wohl der Anzunehmenden fördert. Festzuhalten sei, dass sich die tatsächlichen Lebensverhältnisse der Anzunehmenden durch die Annahme nicht ändern würden, da der Annehmende die Anzunehmende seit ihrer Geburt wie ein leibliches Kind behandelt. Bedenken bestehen darüber hinaus, da der Annehmende und die leibliche Mutter eine Aufklärung über die leibliche Vaterschaft ablehnen. Dieser Umstand wiege schwer. Angesichts der besonderen Bedeutung, die die Kenntnis der eigenen Abstammung für die ungestörte Entwicklung des Adoptivkindes besitzt, könne die Bereitschaft der Adoptiveltern, das Kind in altersgerechter Weise über seine Herkunft aufzuklären, im Allgemeinen als Voraussetzung für die Vermittlung eines Adoptivkindes angesehen werden. Die Kenntnis der eigenen Abstammung könne für die Entwicklung der Persönlichkeit von erheblicher Bedeutung sein.
Gerade vor dem Hintergrund, so das Gericht weiter, dass alle anderen Familienmitglieder wissen, dass der Annehmende nicht der leibliche Vater der Anzunehmenden ist, bestehe ein erhebliches Risiko, dass die Anzunehmende im Zuge von Streitigkeiten, die spätestens mit der einsetzenden Pubertät wahrscheinlich sind, von ihrer Abstammung erfahren wird. Die Aufklärung des minderjährigen Kindes sei allein Aufgabe der personensorgeberechtigten (Adoptiv-)Eltern. Aus diesem Grund sei eine Anhörung des Kindes durch das Gericht ohne vorherige Aufklärung über seine leibliche Abstammung nicht geboten. Eine gerichtliche Anhörung, die dem Kind den eigentlichen Anlass und Gegenstand des Verfahrens verschleiere und verheimliche, werde der gebotenen angemessenen Beteiligung des Kindes am Verfahren nicht gerecht.
Fazit:
Auch ein Kind, welches noch nicht 14 Jahre alt ist und seine Zustimmung zur Adoption noch nicht erteilen muss, ist über den Gegenstand des Verfahrens aufzuklären. Über den Kopf des Kindes hinweg geht es nicht. Bei Fragen rund um die Adoption sowie bei der Vorbereitung des notariell zu beurkundenden Adoptionsantrags beraten und unterstützen Sie die Rechtsanwälte und Notare.
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