Erbrecht
Erbrechtliche Probleme der Internetnutzung
Der Tod eines nahen Angehörigen stellt stets einen tragischen Einschnitt in das Leben dar. Dabei ist es nicht nur der Verlust eines Menschen, den es zu bewältigen gilt. Die Angehörigen sehen sich vielmehr zahlreichen bürokratischen Schwierigkeiten ausgesetzt. Insbesondere muss der Nachlass des Verstorbenen geregelt werden. Eine erhebliche Erleichterung für die Angehörigen ist es, wenn der Verstorbene schon zu Lebzeiten Regelungen für den Fall des Todes getroffen hat, insbesondere in Form eines notariellen Testamentes oder eines Erbvertrages. Während derartige Regelungen die Aufteilung des Vermögens detailliert ordnen, fällt immer wieder auf, dass ein Bereich hierbei eher stiefmütterlich behandelt wird, weil vielen Menschen die Problematik nicht unbedingt bewußt ist. Die Rede ist hierbei von der Regelung des sogenannten digitalen Nachlasses.
Die Nutzung des Internets ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Der Einkauf hat sich zumindest teilweise ins Internet verlagert, Briefe werden durch E-Mails ersetzt und nicht mehr benötigte Gegenstände auf digitalen Flohmärkten zum Verkauf angeboten. Dazu kommt die Teilnahme an sozialen Netzwerken, wie etwa Facebook. Verstirbt ein Nutzer sehen sich die Angehörigen oftmals mit der Schwierigkeit konfrontiert, das überhaupt nicht bekannt ist, wo der Verstorbene als Nutzer angemeldet war und was für Verträge er aktuell abgeschlossen hatte. Selbst wenn bekannt ist, dass der Verstorbene regelmäßig bei Amazon und Co. eingekauft hat, fehlen oft die Zugangsdaten. Die Abwicklung des Nachlasses – etwa die Auflösung von Nutzerkonten oder die Abwicklung von online geschlossenen Verträgen – wird hierdurch erheblich erschwert. Dies gilt insbesondere, wenn ein Zugriff auf den E-Mail-Account, auf den sämtliche Nachrichten zusammen laufen, etwa Bestellbestätigungen oder ähnliches, nicht möglich ist. Auch die Auszahlung von Guthaben – z.B. bei dem oft genutzten Online-Bezahldienst PayPal – ist nicht möglich oder wird zumindest erschwert. In persönlicher Hinsicht belastend ist es zudem, wenn Profile der Verstorbenen in sozialen Netzwerken weiterhin online sind.
Grundsätzlich gilt, dass sämtliche Vermögenswerte des Erblassers auf den Erben übergehen. Dies gilt insbesondere für Informationen, die auf Festplatten, USB-Sticks oder sonstigen Medien hinterlassen werden. Folge ist aber auch, dass online geschlossene Verträge, z.B. über eine lange Zeit im Voraus gebuchte Reise, auf den Erben übergehen und von ihm zu erfüllen sind. Den genannten Schwierigkeiten kann auf einfache Weise bereits damit begegnet werden, dass eine regelmäßig aktualisierte Auflistung der genutzten Accounts in Papierform oder in Form einer Datei, die auf einem USB-Stick gespeichert und verschlüsselt werden kann, angefertigt und an einem sicheren Ort hinterlegt wird. Ermöglicht wird hierdurch eine schnelle Bearbeitung des Accounts des Erblassers, was insbesondere dann wichtig ist, wenn durch den Fortbestand regelmäßig wiederkehrende Kosten entstehen. Möglich ist es auch, in einem notariellen Testament entsprechende Regelungen zu treffen. Bestimmt werden kann, ob und welche Online-Konten gelöscht werden sollen und ob die Erben auf bestimmte Daten keinen Zugriff erhalten sollen. Mit der Umsetzung kann hierbei eine Person des Vertrauens beauftragt werden.
Ungeklärt ist gegenwärtig die Frage, ob auch die Mitgliedschaft bei einem sozialen Netzwerk zum Nachlass gehört, was zur Folge hätte, dass die Erben ungehinderten Zugriff auf das Konto des Verstorbenen, etwa bei Facebook haben müssen. Keine abschließende Erklärung dieser Frage hat hierbei eine kürzlich ergangene Entscheidung des Kammergerichts in Berlin gebracht. Verhandelt wurde über die Klage der Eltern eines im Jahre 2012 in einem Berliner U-Bahnhof tödlich verunglückten Mädchens. Um zu prüfen, ob es sich möglicherweise um einen Suizid gehandelt haben könnte, verlangten die Eltern von Facebook Zugang zu dem Konto und dem dort gespeicherten Chat-Verlauf. Facebook hatte jedoch nach Kenntnis vom Tod des Mädchens das Konto in den sogenannten “Gedenk-Zustand” versetzt, so dass die Eltern nicht mehr auf das Konto zugreifen konnten, obwohl sie über die Passwörter verfügten. Das Landgericht Berlin hatte hierauf mit Urteil vom 17.12.2015 Facebook verpflichtet, den Zugang zu gewähren und in der Begründung ausgeführt, der Nutzungsvertrag sei auf die Eltern als Erben übergegangen. Diese Entscheidung ist jedoch vom Kammergericht zwischenzeitlich aufgehoben und die Klage abgewiesen worden. Ausdrücklich offen gelassen hat das Kammergericht dabei jedoch die Frage, ob der Nutzungsvertrag Bestandteil des Nachlasses sei und somit auf die Erben übergehe oder nicht. Das Gericht hat vielmehr darauf verwiesen, dass insbesondere der Chat-Verlauf, der zu dem Konto gespeichert sei, dem Telekommunikationsgeheimnis unterliege. Dieses schütze nicht nur die Interessen des verstorbenen Mädchens an einer Vertraulichkeit der gewechselten Nachrichten, sondern gerade auch die Interessen der jeweiligen Chat-Partner.
Das Kammergericht hat jedoch die Revision gegen die Entscheidung zugelassen, so dass sich voraussichtlich der Bundesgerichtshof mit der Frage beschäftigen muss. Sollte es nach Ansicht des Bundesgerichtshof tatsächlich auf die Frage der Vererblichkeit ankommen, wäre zu prüfen, ob das bei Facebook geführte Konto so eng an die Person des jeweiligen Nutzers gebunden sei, das eine Vererblichkeit ausgeschlossen werden müsse.
Das Erbrecht stellt sich bereits als eine ausgesprochene komplexe Regelungsmaterie dar. Deutlich schwieriger gestaltet sich das nochmals im Umgang mit dem digitalen Nachlass. Neben den vorstehend erörterten Problemen gilt dies etwa für die Frage, welches Schicksal online erworbene Lizenzen, etwa zum Lesen von Ebooks, im Todesfall erfahren. Insgesamt kann daher nur geraten werden, sich zur Regelung der eigenen erbrechtlichen Angelegenheiten notariellen Rat einzuholen und sich bei der erbrechtlichen Gestaltung nicht nur auf das Schicksal der reinen Sachwerte zu beschränken, sondern in die Gestaltung gerade auch den digitalen Nachlass einzubeziehen.
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