Familienrecht
Eheschließung per Videokonferenz?
Am 31.07.2019 trat die sog. Digitalisierungsrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 2019/1151) in Kraft, welche eine Vielzahl von Vorgaben zur Modernisierung des Handels- und Gesellschaftsrechts enthält, um relevante Beschleunigungseffekte im Geschäftsverkehr zu realisieren.
Richtlinien der Europäischen Union sind im Gegensatz zu Verordnungen der Europäischen Union in Deutschland nicht unmittelbar wirksam und verbindlich, sondern sie müssen durch nationale Rechtsakte in unmittelbar geltendes deutsches Recht umgesetzt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat daher das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) erlassen, welches am 01.08.2022 in Kraft tritt. Das DiRUG enthält insbesondere Regelungen zur Änderung des Beurkundungsgesetzes (BeurkG) und zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG).
Ab dem 01.08.2022 ist § 16c BeurkG in folgender Fassung gültig:
„Erfolgt die Beurkundung mittels Videokommunikation, soll sich der Notar Gewissheit über die Person der Beteiligten anhand eines ihm elektronisch übermittelten Lichtbildes […] verschaffen“
§ 2 Abs. 3 GmbHG ist ab dem 01.08.2022 in folgender Fassung gültig:
„Die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags kann auch mittels Videokommunikation gem. §§ 16a-c BeurkG erfolgen […]“
Wie sich aus den vorstehend zitierten Paragrafen ergibt, ist es ab dem 01.08.2022 möglich, die Beurkundung des Gesellschaftsvertrags und der im Rahmen der Gründung gefassten Gesellschafterbeschlüsse durch den Notar mittels Videokommunikation durchzuführen. Die Gründer können sich auch bei der online-Gründung einer GmbH vertreten lassen. Zu beachten ist jedoch, dass der Anwendungsbereich des DiRUG eng umrissen ist und sich auf die Online-Gründung einer GmbH (inklusive der UG) beschränkt. Die Gründung anderer Kapitalgesellschaften (AG, KGaA) ist weiterhin nur im Präsenzverfahren möglich. Auch bleibt das Online-Verfahren auf die Gründung mit Bareinlagen beschränkt. Die Gründer müssen darüber hinaus Inhaber eines entsprechenden elektronischen Identifizierungsmittels sein, damit der beurkundende Notar sich entsprechend dem bereits zitierten § 16c BeurkG Gewissheit über die Identität der Beteiligten verschaffen kann.
Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung ist es daher fraglich, ob auch Eheschließungen wirksam per Videokonferenz durchgeführt werden können. Mit dieser Frage hatte sich das Verwaltungsgericht Düsseldorf zu beschäftigen. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein türkischer Staatsangehöriger und eine bulgarische Staatsangehörige saßen im Juni 2021 gemeinsam vor dem Computer in Duisburg und gaben sich per Videokonferenz das Ja-Wort, welches ein Behördenmitarbeiter des US-Bundesstaates Utah protokolliert hatte. Die Beteiligten erhielten im Anschluss ein Dokument des Staates Utah, eine „Marriage License & Certificate of Marriage“.
Mit diesem Dokument beantragte der türkische Staatsangehörige bei der Stadt Duisburg, ihm eine sog. Aufenthaltskarte für Familienangehörige auszustellen. Mit einer solchen Aufenthaltskarte wird ein ordnungsgemäßer Aufenthalt im Bundesgebiet nachgewiesen. Die Ausländerbehörde lehnte den Antrag mit der Begründung, der Antragsteller sei mangels wirksamer Eheschließung kein Familienangehörige bzw. insbesondere nicht der Ehegatte einer Unionsbürgerin, ab. Der türkische Staatsangehörige stellte daraufhin beim Verwaltungsgericht Düsseldorf einen Antrag auf Erlass der behördlich abgelehnten Aufenthaltskarte im Wege der einstweiligen Anordnung.
Das VG lehnte den Antrag mit Beschluss vom 15.02.2022, Az. 7 L 122/22 ebenfalls ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Bescheinigung nicht vorliegen. Insbesondere habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, Familienangehöriger bzw. Ehegatte einer Unionsbürgerin zu sein. Eine in Deutschland gültige Ehe liege nicht vor.
Das VG legte die für das Zustandekommen einer wirksamen Ehe maßgeblichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, insbesondere die §§ 1310, 1311 BGB, zugrunde.
Gem. § 1310 Abs. 1 BGB wird die Ehe nur dadurch geschlossen, dass die Eheschließenden vor dem Standesbeamten erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. § 1311 BGB konkretisiert, dass die Eheschließenden die Erklärungen nach § 1310 Abs. 1 BGB persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit abgeben müssen. Wird der Eheschließungswille nicht vor einem Standesbeamten erklärt, haben die Erklärungen keine familienrechtliche Wirkung. Nach deutschem Recht ist daher die sog. Handschuhehe (durch Vertreter oder Boten) oder die Fernehe, bei der die Eheschließenden sich während der Abgabe der Erklärung nicht an demselben Ort befinden, ausgeschlossen.
In dem zu entscheidenden Fall war bei Abgabe der Eheschließungserklärung kein deutscher Standesbeamter zugegen. Die Beteiligten haben allein vor dem Computer ihr Einvernehmen erklärt. Das VG führte ferner aus, dass auch die Voraussetzungen einer Heilung einer Nichtehe gem. § 1310 Abs. 3 BGB wegen der fehlenden Eintragung im Eheregister nicht vorliegen.
Durch das DiRUG erfährt das deutsche Handels- und Gesellschaftsrecht eine Modernisierung. In besonderem Maße dürfte die nunmehr geschaffene Möglichkeit der Fernbeurkundung einer GmbH-Gründung für ausländische Gründer interessant sein. Gleichwohl verdeutlicht der eingeschränkte Anwendungsbereich der Online-Gründung auf die Gründung der GmbH und nur mit Bareinlagen, dass die Fernbeurkundung zunächst erprobt werden muss. Außerhalb des Handels- und Gesellschaftsrechts gibt es bislang keine Bestrebungen, die physische Präsenz durch eine virtuelle zu ersetzen. Höchstpersönliche Rechtsgeschäfte wie beispielsweise die Eheschließung, die Testamentserrichtung oder der Abschluss eines Erbvertrags werden auch im Zeitalter der Digitalisierung nicht online abgewickelt werden können.
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