Familienrecht
Corona erschwert getrenntlebenden Eltern Flugreisen mit Kindern
Miteinander verheiratete Eltern üben das Sorgerecht über ihre Kinder gemeinsam aus. Hieran ändern Trennung und Scheidung nichts. Allerdings legt § 1687 BGB fest, wie sich die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts bei Getrenntleben praktisch gestaltet. Danach müssen Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind, gemeinsam entschieden werden, während dasjenige Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, die alleinige Entscheidungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens hat.
Erhebliche Bedeutung haben Angelegenheiten, deren Entscheidungen nur schwer oder gar nicht abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben, wie z.B. die Schulanmeldung, eine Auswanderung oder die religiöse Erziehung. Angelegenheiten des täglichen Lebens dagegen sind solche, die häufig vorkommen und ohne großen Aufwand leicht abänderbar sind, wie z.B. die Freizeitgestaltung (Sport, Hobbies, Fernsehkonsum), das Taschengeld oder die medizinische Versorgung bei leichteren Krankheiten.
Nach ständiger Rechtsprechung wurden Urlaubsreisen in eine Standardurlaubsregion, wie z.B. Mallorca, bislang als alltägliche Angelegenheit eingestuft, so dass der betreuende Elternteil das Kind ohne die ausdrückliche Zustimmung des anderen mitnehmen konnte.
Sofern getrenntlebende Eltern in einer Angelegenheit von erheblicher Bedeutung keine Einigung erzielen können, kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil allein übertragen. Das Gericht hat in diesem Fall den im Rahmen der Sorgerechtsausübung aufgetretenen Konflikt der Eltern zu lösen.
Mit einem solchen Fall hatte sich das OLG Braunschweig zu befassen:
Die Beteiligten waren getrenntlebende Eltern und übten das Sorgerecht für ihre beiden Kinder gemeinsam aus. Beide Kinder lebten seit der Trennung bei der Mutter; der Vater hatte ein regelmäßiges Umgangsrecht. Die Mutter hatte Monate zuvor eine Urlaubsreise für sich und die Kinder nach Mallorca vom 01.08.2020 bis zum 15.08.2020 gebucht und den Vater aufgefordert, seine Zustimmung zu der Reise zu erteilen. Der Vater lehnte mit Blick auf die Risiken durch das Corona-Virus ab.
Beide Elternteilte stellten daraufhin beim Familiengericht den Antrag, ihnen die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Urlaubsreise zu übertragen. Das Familiengericht wies beide Anträge mit der Begründung, bei der Entscheidung zur Urlaubsteilnahme handele es sich nicht um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, zurück.
Gegen die Entscheidung des Familiengerichts legte der Vater Beschwerde ein. Das OLG Braunschweig übertrug mit Beschluss vom 30.07.202 – 2 UF 88/20 – die Befugnis zur Entscheidung über die Frage, ob die gemeinsamen Kinder von der Mutter auf eine Urlaubsreise nach Mallorca im August 2020 mitgenommen werden dürfen, dem Vater.
Seine Entscheidung begründete das OLG Braunschweig damit, dass aufgrund der Corona-Pandemie die Frage, ob die Kinder zusammen mit der Mutter eine Urlaubsreise nach Mallorca antreten können, keine Angelegenheit des täglichen Lebens sei. Flugreisen ins Ausland – so das Gericht weiter – seien bis Anfang Juni 2020 wegen der Corona- Pandemie faktisch ausgeschlossen gewesen. Eine Reisewarnung für Mallorca lag für den Zeitraum der geplanten Reise nicht vor. Das OLG bezog sich aber auf die Hinweise des Auswärtigen Amtes, wonach die Ausbreitung des Virus zu Einschränkungen im internationalen Luft -und Reiseverkehr und zu Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens führen dürfte. Ferner berief sich das OLG darauf, dass nicht ausreichend verlässlich prognostiziert werden könne, welche ggf. erhöhte Ansteckungsgefahr im Zusammenhang mit einer Flugreise bestehe. Außerdem könne die Planungsverlässlichkeit eines gebuchten Rückfluges gefährdet sein, wenn es am Urlaubsort erneut zu staatlich notwendigen Reaktionen auf plötzliche Ausbrüche des Virus komme. Zudem seien längere Quarantänen oder ein Festsitzen von Urlaubsrückkehrern im Ausland möglich, was eine nicht unerhebliche Belastung für das seelische Wohlbefinden des Kindes darstelle bzw. damit mögliche Abwesenheitszeiten im Schulbetrieb ein schulisches Fortkommen und Lernerfolge beeinträchtigen könne. Vor diesem Hintergrund stelle jede Auslandsflugreise jedenfalls jetzt noch aufgrund der Corona Krise eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung dar, so dass es der Zustimmung des anderen Elternteils bedürfe. Da der Vater die Reise ablehnte, hatte das OLG die Entscheidungsbefugnis auf einen der Elternteile zu übertragen.
Die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil richtet sich nach dem Kindeswohl und ist dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird. Vor dem Hintergrund der wegen der Corona-Pandemie mit einer Urlaubsreise verbunden Gefahren und Risiken vertrat das Gericht die Auffassung, dass der Lösungsvorschlag des Vaters, die Reise nicht durchzuführen, dem Kindeswohl besser entspreche, so dass es dem Vater die Entscheidungsbefugnis übertrug. Getrenntlebende Eltern haben eine Fülle an Entscheidungen bzgl. ihrer Kinder zu treffen. Welche Entscheidungen gemeinsam getroffen werden müssen und welche Entscheidung jeder Elternteil selbst treffen kann, hängt davon ab, ob es sich um eine Angelegenheit des täglichen Lebens oder um eine solche von erheblicher Bedeutung handelt. Die Abgrenzung ist nicht immer leicht und kann, wie der vorliegende Fall zeigt, sogar von aktuellem Tagesgeschehen abhängen. Bei Konflikten hinsichtlich der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts ist daher zu empfehlen, frühzeitig fachanwaltlichen Rat einzuholen.
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