Allgemein, Notariat
Tücken des Ehegattentestaments
In der notariellen Praxis spielt die erbrechtliche Beratung und die Beurkundung von erbrechtlichen Regelungen eine große Rolle. Oftmals ist es den Ratsuchenden nicht in jedem Fall bewußt, dass die Abfassung eines Testaments nicht nur bei einem größeren Vermögen, sondern auch bereits bei normalen wirtschaftlichen Verhältnissen geboten ist.
Ein Beispiel: Ein junges Paar heiratet, in kurzen Abständen kommen zwei Kinder zur Welt. Die Eheleute bauen ein Haus, sodann folgt der Schicksalsschlag: Einer der Ehegatten verstirbt. Da das Paar sich für diesen Fall gar keine Gedanken gemacht hat, fehlt eine testamentarische Regelung. Folge ist, dass die gesetzliche Erbfolge eintritt. Da auch ein Ehevertrag nicht geschlossen wurde, leben die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der überlebende Ehegatte erhält 1/4 des Nachlasses als gesetzliches Erbe und ein weiteres Viertel als pauschalen Zugewinn auf den Todesfall, ist also zur Hälfte am Nachlass beteiligt. Die beiden Kinder werden je zu 1/4 gesetzliche Erben. Diese Rechtsfolge kann oftmals unerwünscht sein, da das Bestehen einer Erbengemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Kindern nachteilig und nicht interessengerecht sein kann. Wird den Beteiligten nach einem solchen Beispiel bewußt, dass es doch besser sei ein Testament zu verfassen und so versuchen viele Betroffene zunächst auf eigene Faust ohne Hinzuziehung eines Notars ein Testament zu errichten. Nach kurzer Internetrecherche stoßen sie oftmals auf das sogenannte Berliner Testament. Tatsächlich ist es nach § 2267 BGB möglich, dass Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament in der Form errichten, dass einer der beiden die letztwillige Verfügung eigenhändig verfasst und beide Ehegatten das Testament eigenhändig unterschreiben. Oftmals werden von den Betroffenen anhand von im Internet verfügbaren Mustern daher vermeintlich durchdachte Regelungen des Inhalts getroffen, dass die Ehegatten sich wechselseitig als Erben einsetzen und etwaige Abkömmlinge Schlußerben nach dem Tod des Längstlebenden sein sollen. Da der Pflichtteil der Kinder nach dem ersten Erbfall nicht ausgeschlossen werden kann, wird dies durch die übliche Pflichtteils-Strafklausel ergänzt, wonach das Kind, das nach dem ersten Erbfall bereits den Pflichtteil verlangt, auch nach dem Tode des überlebenden Ehegatten nur den Pflichteil bekommt und nicht Erbe wird. Auf den ersten Blick mag das eine sachgerechte Lösung sein. Schwierigkeiten treten zu Tage, wenn sich die persönlichen und familiären Verhältnisse ändern, so dass auch Bedarf für eine entsprechende Änderung des Testaments besteht. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich die Ehegatten oder aber der überlebende Ehegatte vollkommen mit den Kindern überwerfen und die Schlußerbfolge ändern wollen. Dies kann auch der Fall sein, wenn sich der Lebensweg eines Kindes so entwickelt, dass eine Erbfolge nicht mehr gewollt ist. Beispiel: Eines der Kinder schließt sich einer Sekte an und kündigt an, dieser ihren Erbteil zu vermachen. Die Frage, ob eine Änderung des Testaments möglich ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zu klären ist zunächst, ob Regelungen wie in unserem obigen Beispiel wechselbezüglich sind. Eine Wechselbezüglichkeit ist nach § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist. Dies ist in unserem Beispiel der Fall, so dass hier von einer Wechselbezüglichkeit auszugehen wäre. Die Annahme einer solchen Wechselbezüglichkeit führt zwar zu Lebzeiten beider Ehegatten noch nicht dazu, dass hinsichtlich der erbrechtlichen Regelung eine Bindungswirkung eintritt. Das Testament kann vielmehr etwa durch einen gemeinsamen Widerruf beseitigt werden, auch durch ein neues gemeinschaftliches Widerrufstestament. Auch einseitig kann jeder Ehegatte das gemeinschaftliche Testament vollständig oder teilweise widerrufen. Der Widerruf bedarf zwar keiner Begründung, erforderlich ist aber, dass dem anderen Ehegatten über den Widerruf eine notariell beurkundete Erklärung übermittelt wird. Leben also beide Ehegatten noch, kann relativ unproblematisch eine abweichende Erbfolgeregelung getroffen werden. Anders sieht dies jedoch aus, wenn ein Ehegatte verstirbt. Mit dem Tod dieses Ehegatten tritt nämlich Bindungswirkung für die wechselbezüglichen Verfügungen ein, so dass ein Widerruf der wechselbezüglichen Verfügungen nicht möglich ist. Lediglich in eng beschränkten Ausnahmefällen kann die testamentarische Regelung noch beseitigt werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der überlebende Ehegatte das von ihm mit verfasste Testament anficht. Möglich ist dies, wenn der überlebende Ehegatte erneut heiratet und somit ein neuer Pflichtteilsberechtigter hinzutritt. Gleiches gilt, wenn dem überlebenden Ehegatten noch ein weiteres Kind geboren wird oder er ein Kind adoptiert. Klar ist aber damit zugleich auch, dass nach dem Tod des überlebenden Ehegatten die Schlußerbfolge nicht mehr ohne weiteres geändert werden kann.
Bereits dieses Beispiel zeigt, dass der Gang zum Notar vor unliebsamen Überraschungen schützen kann. Möglich ist es nämlich ohne weiteres, auch in einem gemeinschaftlichen Testament klarzustellen, dass derartige Verfügungen gerade nicht wechselbezüglich sein sollen. Zu diesem Problempunkt sowie zu weiteren möglichen erbrechtlichen Gestaltungen kann der Notar letztlich gemeinsam mit den Beteiligten Regelungen erarbeiten, die sachgerecht sind und die Beteiligten bestmöglich absichern.
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