Erbrecht
Das Pflichtteilsrecht
Dem römischen Dichter und Satiriker Horaz wird der Aphorismus “Deines Reichtums wird sich ein Erbe bemächtigen” zugeschrieben. Wer zumindest selber bestimmen möchte, wem nach dem eigenen Ableben das Erbe zufallen soll, ist gut beraten, es insoweit nicht auf die gesetzliche Erbfolge ankommen zu lassen, sondern den oder die Erben seines Willens zu Lebzeiten durch eine Verfügung von Todes wegen zu bestimmen.
Die sogenannte Testierfreiheit ist in der deutschen Rechtsordnung ein hohes Gut. Sie findet ihren Ausdruck in der Regelung des § 1937 BGB, wonach der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen den Erben bestimmen kann und ist grundrechtlich abgesichert durch Artikel 14 GG. Es steht daher jedem frei, unabhängig von verwandtschaftlichen Beziehungen den Erben zu bestimmen und hierbei ggfls. eigene Angehörige von der Erbfolge auszuschließen. Gleichwohl hat der Gesetzgeber mit der Regelung des Pflichtteilsrechts nach den §§ 2303 ff. BGB sichergestellt, dass nahe Angehörige wenigstens eine Mindestbeteiligung am Nachlass erhalten, wenn sie durch den Erblasser enterbt wurden.
Pflichtteilsberechtigt sind in erster Linie die Abkömmlinge des Erblassers und der Ehegatte. Pflichtteilsberechtigt können aber auch die Eltern des Erblassers oder entferntere Abkömmlinge (Enkelkinder) sein, es sei denn, dass bereits ein Abkömmling den Pflichtteil verlangen kann. Geschwister des Erblassers wie auch entferntere Verwandte haben dagegen keinen Pflichtteilsanspruch! Besteht ein Pflichtteilsanspruch, bedeutet dies nicht, dass der Berechtigte wie ein Erbe unmittelbar am Nachlass beteiligt ist. Er erwirbt vielmehr einen Zahlungsanspruch gegen den oder die Erben. Der Höhe nach beläuft sich der Pflichtteil nach § 2303 Abs. 1 BGB auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Ein einfaches Rechenbeispiel: Der schon verwitwete Erblasser setzt durch Testament seine neue Lebensgefährtin zur Alleinerbin ein und enterbt damit sein einziges Kind. Dieses wäre bei gesetzlicher Erbfolge Alleinerbe. Das Kind kann daher die Hälfte des Nachlasswertes als Pflichtteil verlangen. Der Anspruch besteht selbstverständlich erst bei Eintritt des Erbfalles; eine vorherige “Abfindung” kann nicht verlangt werden.
Berechnungsgrundlage für die Höhe des Wertes des Anspruchs ist grundsätzlich der Wert des Nachlasses im Erbfall. Ist dieser dem Pflichtteilsberechtigten nicht bekannt, so kann er nach § 2314 BGB von dem Erben Auskunft über den Bestand verlangen, ggfls. in Form eines notariellen Nachlassverzeichnisses.
Zur Auskunftserteilung ist der Erbe gesetzlich verpflichtet. Weigert er sich, Auskunft zu erteilen, lässt sich der Anspruch in Form einer Klage auf Auskunft durchsetzen.
Der zukünftige Erblasser kann zwar versuchen, die Höhe des Pflichtteilsanspruchs zu beeinflussen, in dem er schon zu Lebzeiten Vermögenswerte unentgeltlich überträgt. Dies ist ihm jedoch nur eingeschränkt möglich, da dem Berechtigten neben dem Pflichtteilsanspruch noch der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB zusteht. Dieser führt dazu, dass bei der Berechnung des Wertes so getan wird, als sei die Schenkung nicht erfolgt und der verschenkte Gegenstand noch immer im Nachlass vorhanden. Ausgenommen sind grundsätzlich Schenkungen, die länger als 10 Jahre vor dem Erbfall getätigt wurden. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass je länger die Schenkung zurückliegt, desto geringer der für die Pflichtteilsberechnung zulegende Wert der Schenkung ist.
Insoweit wird nämlich ein Wertabzug von 1/10 pro seit der Schenkung verstrichenem Jahr vorgenommen. Besonderheiten können wieder zu berücksichtigen sein bei Zuwendungen an Ehegatten oder unter einem Nutzungsverbehalt wie einem Nießbrauchrecht. Diese sind unabhängig von der genannten 10-Jahresfrist zu berücksichtigen.
An dieser Stelle kann nur ein kurzer Überblick über das komplexe Pflichtteilsrecht gegeben werden. Sowohl im Hinblick auf die Testamentsgestaltung als auch im Hinblick auf die Prüfung von Pflichtteilsansprüchen kann im Einzelfall nur eine anwaltliche oder notarielle Beratung angeraten werden.
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