Arbeitsrecht
Aktuelles zur Scheinselbstständigkeit
Ein Dauerbrenner im Bereich des Arbeitsrechts ist regelmäßig das Thema Scheinselbständigkeit. Scheinselbständige Arbeitnehmer sind solche Personen, die nach außen hin zwar als Selbständige auftreten, tatsächlich aber abhängig Beschäftigte im Sinne des § 7 SGB IV sind. In Abgrenzung zur abhängigen Beschäftigung als Arbeitnehmer ist eine selbständige Tätigkeit in der Regel gekennzeichnet durch die Möglichkeit der freien Gestaltung der Tätigkeit, eine selbst bestimmte Arbeitszeit und die stetige Verfügbarkeit über die eigene Arbeitskraft. Eine abhängige Beschäftigung als Arbeitnehmer liegt dagegen vor, wenn Arbeitszeit, Arbeitsort, Arbeitsdauer und die Art der Arbeitsausführung im Wesentlichen durch den Arbeitgeber bestimmt werden.
In vielen Fällen, etwa im IT-Bereich, ist die rechtliche Einordnung häufig schwierig. Oft genug stellt sich die Frage, ob ein Mitarbeiter tatsächlich freiberuflich oder vielmehr doch als sozialversicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmer einzustufen ist. Insbesondere gilt dies für Unternehmen, für die ein vermeintlich freier Mitarbeiter nahezu ausschließlich tätig ist. Ergibt sich im nachhinein, dass ein Mitarbeiter tatsächlich nicht selbständig ist, sondern als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer einzustufen ist, kann dies insbesondere für den Auftraggeber bzw. Arbeitgeber erhebliche finanzielle Folgen haben. So kann dieser verpflichtet sein, sämtliche Sozialversicherungsbeiträge nachträglich zu zahlen, also insbesondere die Rentenversicherungsbeiträge, wie auch die Abgaben an die Agentur für Arbeit und Krankenversicherungsbeiträge. Eine zusätzliche finanzielle Belastung für den Arbeitgeber ergibt sich daraus, dass dies weitgehend ohne Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers erfolgt. Grund hierfür ist, dass der Arbeitnehmeranteil am Sozialbeitrag nur im laufenden Arbeitsverhältnis vom Lohn einbehalten werden kann, wobei dies darüber hinaus nur für die letzten drei Monate gilt.
Kommt es also nach einer Betriebsprüfung oder nach einer durch den Scheinselbstständigen selber beantragten Status-Feststellung dazu, dass der Arbeitgeber sich erheblichen Nachforderungen ausgesetzt sieht, ist dieser häufig genug veranlasst, die bisherige Bezahlung des Scheinselbstständigen auf Honorarbasis zu überprüfen und ggf. Rückforderungsansprüche geltend zu machen. Grund hierfür ist, dass das mit dem vermeintlichen freien Mitarbeiter vereinbarte Stundenhonorar häufig durchaus erheblich höher ist, als der Bruttostundenlohn vergleichbarer Arbeitnehmer.
Viele Arbeitgeber sahen sich daher veranlasst, in derartigen Fällen von den Scheinselbstständigen den Teil des geleisteten Honorars zurückzufordern, der über dem Gehalt vergleichbarer Arbeitnehmer lag. Nicht selten landen diese Fälle meistens vor Gericht.
In mehreren Entscheidungen aus dem Jahre 2001, die bislang stets berücksichtigt worden sind, hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) diesen Versuchen einen Riegel vorgeschoben. So hat das BAG etwa mit Urteil vom 12.12.2001 (Akt.-Z. 5 AZR 257/00) entschieden, dass eine mit einem freien Mitarbeiter getroffene Vergütungsvereinbarung nicht alleine deshalb unwirksam wird, weil es sich bei der Vertragsbeziehung tatsächlich um ein Arbeitsverhältnis handelt. Lediglich in Ausnahmefällen für Bereiche des öffentlichen Dienstes, in denen unterschiedliche Vergütungsordnungen für freie Mitarbeiter und Arbeitnehmer angewendet worden sind, hat das Gericht ausnahmsweise Rückzahlungspflichten der Scheinselbstständigen anerkannt.
Mit einer Entscheidung vom 26.06.2019 (Akt.-Z. 5 AZR 178/18) hat das BAG seine Rechtsprechung zu dieser Frage nunmehr jedoch grundlegend geändert. In dem zugrundeliegenden Fall war ein IT-Techniker in den Jahren 2001 bis 2009 auf Teilzeitbasis für einen Arbeitgeber tätig. Vereinbart war zuletzt ein Stundenhonorar von 60,00 EUR. Nach Vertragsbeendigung beantragte der vermeintliche freie Mitarbeiter bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Klärung seines tatsächlichen Status. Hierbei wurde festgestellt, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis tatsächlich um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe. Nach Rechtskraft des entsprechenden Bescheides und darauf folgender Inanspruchnahme des Arbeitgebers auf Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen nahm der Arbeitgeber seinen vermeintlichen freien Mitarbeiter auf Rückzahlung überzahlter Honorare in Anspruch.
Nach seiner Berechnung hätte er für einen vergleichbaren Arbeitnehmer in dem fraglichen Zeitraum insgesamt rund 50.000,00 EUR aufwenden müssen. Insgesamt hatte der Arbeitnehmer jedoch in der Zeit seiner Beschäftigung Honorare in Höhe von über 150.000,00 EUR erhalten. Nach dem das zuständige Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht die Klage unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des BAG abgewiesen hatten, hat das angerufene BAG nunmehr entschieden, dass dann, wenn sich ein vermeintliches freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis darstellt, in der Regel gerade nicht davon ausgegangen werden könne, die für freie Mitarbeiter vereinbarte Vergütung sei der Höhe nach auch für die Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet. Das BAG stellt ausdrücklich klar, dass dem Arbeitnehmer bewußt sein müsse, dass er die für ein freies Dienstverhältnis vereinbarte Vergütung nicht als Bruttoarbeitsentgelt beanspruchen könne, falls sich das Rechtsverhältnis in Wahrheit als Arbeitsverhältnis darstelle. Die anderslautende bisherige Rechtsprechung hat das BAG ausdrücklich aufgegeben. Das BAG hat die Angelegenheit zwar zur endgültigen Entscheidung über die Höhe des Anspruchs an das Landesarbeitsgericht zurück verwiesen. Gleichwohl muss zukünftig wohl davon ausgegangen werden, dass dann, wenn die vom Scheinselbstständigen erhaltene Vergütung höher ist, als die übliche Vergütung, die er als Arbeitnehmer erhalten hätte, die Differenz zu erstatten ist. In der juristischen Literatur ist die Entscheidung des BAG zwar erheblich kritisiert worden. Die Folgen einer scheinselbstständigen Beschäftigung können angesichts der neuen Rechtsprechung nunmehr auch für Arbeitnehmer von erheblicher Brisanz sein. Hiervon Betroffenen kann daher insbesondere vor der Entscheidung, ob etwa eine Status-Feststellung durchgeführt werden soll, nur angeraten werden, rechtzeitig anwaltlichen Rat einzuholen.
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