Erbrecht, Notariat
Aktuelles zum Ehegattentestament
Ein Schwerpunkt in der notariellen Praxis bildet regelmäßig die Beratung in erbrechtlichen Angelegenheiten. Hierbei ist häufig festzustellen, dass es vielen Menschen schwer fällt, Regelungen für den Fall des eigenen Todes zu treffen. Umso mehr gilt dies, als bei vielen Ratsuchenden zunächst die Auffassung vorherrscht, die Abfassung eines Testamentes lohne sich ohnehin nur, wenn erhebliches Vermögen vorhanden sei. Dass dies tatsächlich nicht der Fall ist, lässt sich an einem einfachen Beispiel darstellen:
Ein junges Paar heiratet und bekommt in kurzen Abständen zwei Kinder. Perfekt erscheint das Familienglück, als die Wunschimmobilie gefunden wird und die junge Familie ins Eigenheim übersiedelt. Nach vielen Jahren ist der Immobilienkredit abbezahlt und die Kinder verlassen den elterlichen Haushalt und gründen schließlich eigene Familien. Verstirbt nunmehr einer der Ehegatten, kann sich für den überlebenden Ehegatten schnell zeigen, dass es ein Fehler gewesen ist, eine erbrechtliche Regelung nicht zu treffen. Liegt ein Testament nicht vor, so gilt die gesetzliche Erbfolgenregelung. Da die Ehegatten auch keine ehevertragliche Regelung getroffen haben und im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, entfällt auf den überlebenden Ehegatten 1/4 als gesetzlicher Erbteil und ein weiteres 1/4 als pauschaler Ausgleich des Zugewinns, insgesamt damit die Hälfte des Nachlasses. Die beiden Kinder werden zu je 1/4 gesetzliche Erben. Natürlich kann es sein, dass das Verhältnis innerhalb der Familie so harmonisch ist, dass der überlebende Ehegatte weiterhin das Familienheim bewohnen und dort den Lebensabend verbringen kann. Es kann aber natürlich auch sein, dass eines der Kinder auf eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft besteht. Für den überlebenden Ehegatten kann in diesem Fall die Situation entstehen, die dies fordernden Kinder “auszuzahlen” und deren Anteile am Nachlass zu übernehmen. Sollte das aus finanziellen Gründen dann aber nicht möglich sein, kann tatsächlich eine Auseinandersetzung bis hin zum Verkauf des Wohnhauses die Folge sein. Angeraten werden kann Eheleuten daher nur, rechtzeitig eine entsprechende testamentarische Regelung zu treffen. Für Ehegatten sieht § 2265 BGB hierbei die Möglichkeit vor, ein gemeinschaftliches Testament zu errichten. Ein klassischer Gestaltungsfall ist hierbei eine Form des Testaments, die auch juristischen Laien sicherlich unter dem Begriff des “Berliner Testaments” geläufig ist. In einem solchem setzen die Eheleute sich regelmäßig wechselseitig als alleinige Erben ein. Desweiteren wird geregelt, dass die gemeinschaftlichen Abkömmlinge nach dem Tode des Letztversterbenden Schlußerben sein sollen. Auch wenn es sich hierbei tatsächlich um ein oft genutztes Modell handelt, welches von Privatleuten oftmals aber schlicht als Vordruck für ein eigenhändiges Testament übernommen wird, muss gleichwohl zur Vorsicht bei dieser Gestaltungsform geraten werden. Sieht ein derartiges Testament nicht ausdrücklich etwas anderes vor, so werden die hierin getroffenen Regelungen verbindlich und können nicht mehr verändert werden, nachdem der erste Ehegatte verstorben ist. Sollten sich nach dem ersten Todesfall erhebliche Änderungen der Lebensumstände ergeben, z.B. eine Zerrüttung des Verhältnisses zu einem der Kinder, besteht keine Möglichkeit mehr, die Schlußerbfolge neu zu regeln. Es bietet sich daher an, im konkreten Einzelfall eine ergänzende Regelung mit aufzunehmen, die dem überlebenden Ehegatten eine gewisse Flexibilität bei der Gestaltung der Schlußerbfolge gestattet. Oftmals wird hierzu eine Regelung des Inhalts verwendet, dass der überlebende Ehegatte berechtigt sein soll, die Erbfolge unter den gemeinschaftlichen Abkömmlingen zu ändern.
Auch diese häufig in Testamenten vorzufindene Formulierung ist jedoch mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, wie eine aktuelle Entscheidung des OLG Oldenburg vom 11.09.2019 zeigt. Dem dort geführten Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein Ehepaar hatte sich in einem Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Zugleich war verfügt worden, dass Schlußerben die gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen sein sollten. Darüberhinaus enthielt das Testament die zuvor genannte Regelung, wonach die Erbfolge unter den gemeinschaftlichen Abkömmlingen abgeändert werden könne. Nach dem Tode des Ehemanns änderte die überlebende Ehefrau tatsächlich das gemeinschaftliche Testament und setzte in einem zweiten Testament eine ihrer Töchter und deren Sohn als Erben zu gleichen Anteilen ein. Die übergangene Tochter hielt dies nicht für möglich unter Hinweis darauf, dass “gemeinschaftliche Abkömmlinge” tatsächlich nur die gemeinsamen Kinder sein könnten. Eine Erbeinsetzung des Enkelsohnes war nach Auffassung der übergangenen Tochter nicht möglich. In der ersten Instanz gab das Landgericht Osnabrück der Tochter zunächst Recht. Gemeinschaftliche Abkömmlinge könnten – so das Landgericht – letztlich nur die gemeinsamen Kinder sein. Das OLG Oldenburg, das über die Berufung zu verhandeln hatte, sah dies vollkommen anders. Das Wort “Abkömmlinge” sei gerade nicht auf Kinder beschränkt. Erfasst von dem Begriff seien vielmehr auch Enkel oder Urenkel. Hätten die Eheleute tatsächlich nur die gemeinschaftlichen Kinder gemeint, hätten sie ausdrücklich auch den Begriff “Kinder” wählen müssen.
Noch krasser gestaltet sich die gesetzliche Erbfolge bei kinderlosen Ehepaaren in Zugewinngemeinschaft. Hier nimmt der juristische Laie oftmals an, dass bei kinderlosen Ehepaaren der überlebende Ehegatte Alleinerbe wird. Dem ist aber nicht so. Gem. § 1931 Abs. 1 BGB fällt dem überlebenden Ehegatten zunächst die Hälfte der Erbschaft zu. Bestand zum Zeitpunkt des Erbfalles gesetzlicher Güterstand, erhöht sich dieser Erbteil um ein weiteres Viertel. Der restliche Nachlass fällt an die Eltern des Erblassers. Bei gesetzlicher Erbfolge entsteht also eine Erbengemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Eltern des Erblassers. Sollten diese zum Zeitpunkt des Versterbens nicht mehr leben, so halten die Geschwister des Erblassers den restlichen Nachlass. Kinderlosen Ehepaaren ist es deshalb anzuraten, auf jeden Fall eine testamentarische Verfügung zu errichten.
Vorstehende Ausführungen zeigen einmal mehr, dass nur angeraten werden kann, sich rechtzeitig durch den Notar fachgerecht beraten zu lassen. Denn auch andere Fallstricke, die sich etwa aus dem Pflichtteilsrecht oder dem Erbschaftssteuerrecht ergeben, können oftmals umgangen werden.
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