Familienrecht
Zeitliche Grenze des Anspruchs auf nachehezeitliche Überlassung der Ehewohnung
Eine Trennung unter Eheleuten, die bis zur Trennung in einer gemeinsamen Wohnung oder in einem gemeinsamen Haus gelebt haben, vollzieht sich in den allermeisten Fällen dergestalt, dass einer der Ehegatten die Wohnung oder das Haus verlässt. Die meisten Trennungen werden nicht von langer Hand geplant, sondern vollziehen sich kurzfristig, oftmals nach einem Streit, der dann „das Fass zum Überlaufen“ bringt.
Häufig kommen die Eheleute dann dahin überein, dass erst einmal die räumliche Trennung vollzogen wird. Einer der Ehegatten zieht aus der Wohnung oder dem Haus aus und mietet eine neue Wohnung an, „bis alles geregelt ist“, wie die Beteiligten sich häufig gegenüber dem Rechtsanwalt äußern. Sind gemeinsame Kinder vorhanden, die hauptsächlich von der Mutter betreut werden, ist es in aller Regel so, dass der Ehemann erst einmal auszieht, unabhängig davon, ob die Wohnung oder das Haus im Miteigentum der Ehegatten oder sogar in seinem Alleineigentum steht.
Wie aber geht es dann weiter? Hat der gewichene Ehegatte, vor allem, wenn ihm die Immobilie allein gehört, das Recht, zurückzukehren? Hat er Anspruch darauf, dass seine von ihm getrenntlebende Frau mit den Kindern auszieht? Und wenn ja, wann? Wie lange muss die Ehewohnung dem Ehepartner überlassen werden?
Diese Frage hat der BGH mit Beschluss vom 10.03.2021, Az. XII ZB 243/20 nun beantwortet. Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beteiligten bewohnten während ihrer Ehe eine Wohnung, die im Alleineigentum des Ehemannes stand. Die Trennung der Beteiligten erfolgte im Jahr 2014, seit Dezember 2015 sind sie rechtskräftig geschieden. Seit der Trennung im Jahr 2014 nutzte die Ehefrau die Ehewohnung. Sie zahlte weder Miete an den inzwischen rechtskräftig geschiedenen Ehemann, noch eine Nutzungsentschädigung. Selbst die verbrauchsabhängigen Kosten (Heizkosten und Warmwasserkosten) zahlte der ehemalige Ehemann.
Der geschiedene Ehemann stellte sodann einen auf § 985 BGB gestützten Räumungs- und Herausgabeantrag beim zuständigen Amtsgericht. Gem. § 985 BGB kann der Eigentümer von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen, wenn der Besitzer kein Recht zum Besitz hat. Diesem Antrag entsprach das Amtsgericht durch Beschluss vom 21.02.2019 mit einer Räumungsfrist für die geschiedene Ehefrau bis spätestens zum 31.05.2019.
Die geschiedene Ehefrau legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein, welche das Oberlandesgericht zurückwies. Mit der eingelegten Rechtsbeschwerde zum BGH verfolgte die geschiedene Ehefrau ihr Ziel, den Räumungsbeschluss des Amtsgerichts zu beseitigen, weiter.
Der BGH wies die Rechtsbeschwerde zurück und entschied, dass der auf § 985 BGB gestützte Herausgabeanspruch des geschiedenen Ehegatten vorliegend nicht durch § 1568 a BGB gesperrt sei.
Gem. § 1568 a Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte verlangen, dass ihm der andere Ehegatte anlässlich der Scheidung die Ehewohnung überlässt, wenn er auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maß angewiesen ist als der andere Ehegatte oder die Überlassung der Ehewohnung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht. Wohlgemerkt gilt dies unabhängig davon, ob die Ehewohnung dem gewichenen Ehegatten allein gehört oder im Miteigentum der geschiedenen Ehegatten steht.
§ 1568 a Abs. 5 BGB regelt, dass, sofern kein Mietverhältnis über die Ehewohnung besteht, der Ehegatte, der Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung hat, die Begründung eines Mietverhältnisses verlangen kann. § 1568 a Abs. 6 BGB stellt klar, dass der sich aus § 1568 a Abs. 5 BGB ergebende Anspruch auf Begründung eines Mietverhältnisses ein Jahr ab Rechtskraft der Scheidung erlischt. Die Scheidung wird rechtskräftig, wenn keiner der Beteiligten innerhalb eines Monats ab Zustellung des Scheidungsbeschlusses Beschwerde einlegt.
Daraus leitet der BGH ab, dass auch der sich aus § 1568 a Abs.1 BGB ergebende Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung ein Jahr ab Rechtskraft der Scheidung endet. Der BGH argumentiert, dass ein Ehegatte vom anderen ab Rechtskraft der Scheidung nicht ohne jegliche zeitliche Befristung gestützt auf § 1568 a Abs. 1 BGB die Überlassung einer in dessen Eigentum stehenden Immobilie beanspruchen könne, da ansonsten eine tatsächlich nicht mehr vorhandene, noch aus dem Eheband resultierende Einstandspflicht unter den Ehegatten dauerhaft fortgeschrieben und den gewichenen Ehegatten über Gebühr belasten würde.
Die sich aus § 1568 a BGB ergebende Sperrwirkung im Hinblick auf den Herausgabeanspruch endet daher ein Jahr ab Rechtskraft der Scheidung. Für dieses Ergebnis spricht nicht nur das gesetzgeberische Ziel klarer Rechtsverhältnisse binnen überschaubarer Frist. Den Zeitraum von einem Jahr ab Rechtskraft der Scheidung erachtet der BGH darüber hinaus jedenfalls als ausreichend, um sich als geschiedener Ehepartner neu aufzustellen. Für den gewichenen Ehegatten und Eigentümer der Ehewohnung lässt sich der Eingriff in das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG aus der Funktion der Ehewohnung als Lebensmittelpunkt der Familie ableiten sowie mit der Sozialbindung des Eigentums.
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