Allgemein
Widerruf von Darlehensverträgen
Blickt man auf die Schwerpunkte der anwaltlichen Beratungspraxis im Laufe des sich dem Ende zuneigenden Jahres zurück, zeigt sich, dass ein Problemkreis einen besonderen Stellenwert hatte:
Die Überprüfung bereits vor längerer Zeit abgeschlossener Verbraucherdarlehensverträge auf die Frage, ob diese noch zum jetzigen Zeitpunkt widerrufen werden können. Der Sinn der Frage erschließt sich womöglich dem Leser nicht auf Anhieb. So können doch Verbraucherdarlehensverträge eigentlich nur mit einer Frist von 14 Tagen widerrufen werden. Welche Vorteile soll ein Verbraucher überdies von dem Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages haben? Hierzu folgendes:
Seit dem November 2002 räumt der Gesetzgeber einem Verbraucher bei dem Abschluss bestimmter Verträge ein Recht zum Widerruf ein. Dies gilt auch für den Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen, die zum Beispiel der Finanzierung des Eigenheims dienen. Der Darlehensvertrag muss seitdem eine Widerrufsbelehrung enthalten, in der der Verbraucher über die ihm zustehenden Rechte aufgeklärt werden muss. Dazu gehört auch die Belehrung, binnen welcher Frist der Widerruf erfolgen muss und wann diese Frist beginnt. Für den Text dieser Widerrufsbelehrung stellte der Gesetzgeber eine Musterformulierung bereit, die zunächst in der sogenannten BGB-Info-Verordnung enthalten war. In der Folgezeit nach der Einführung dieser gesetzlichen Regelung war festzustellen, dass zahlreiche Kreditinstitute sich nicht damit begnügten, die Musterbelehrung zu übernehmen. Vorgenommen wurden vielmehr rein textliche, aber teilweise auch inhaltliche Änderungen, um die Belehrung den Bedürfnissen der Banken anzupassen.
Das böse Erwachen kam für die betroffenen Banken, als erste Kunden ihre Verträge widerriefen zu einem Zeitpunkt, an dem die 14-Tagesfrist an sich bereits längst abgelaufen war – und dann auch noch von den Gerichten Recht bekamen! Begründet wurden die Entscheidungen – die übrigens auch vom BGH sämtlich bestätigt wurden -, dass die Kunden infolge der vorgenommenen Änderungen im Unklaren über ihre Rechte waren und diese dementsprechend nicht im erforderlichem Maße wahrnehmen konnten.
Rechtsfolge war es nach dieser Rechtsprechung, dass die Frist zur Ausübung des Widerrufs überhaupt nicht angelaufen, folglich ein “ewiges Widerrufsrecht” entstanden war. Nachfolgend sollen einige Beispiele genannt werden, in denen eine derartige Fehlerhaftigkeit angenommen wurde.
In Anlehnung an die Widerrufsbelehrung 2002 hatte ein Unternehmen diese dahingehend abgeändert, dass der Lauf der Widerrufsfrist “frühestens mit Erhalt dieser Belehrung” beginnen solle. Hierzu hat der BGH in einem Urteil aus dem Jahre 2010 angenommen, dem Verbraucher würde durch die Verwendung des Wortes “frühestens” suggeriert, der Widerruf könne noch von weiteren Umständen abhängen, über die er jedoch im Unklaren gelassen werde.
Dementsprechend war die Belehrung fehlerhaft, so dass der Widerruf trotz der lange verstrichenen Zeit noch erfolgen konnte.
Die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung kann sich aus einer fehlerhaften Darstellung der Rechtsfolgen des Widerrufs ergeben. So fand sich in einer Belehrung der Hinweis, Zahlungen müssten innerhalb von 30 Tagen nach Übersendung der Widerrufsbelehrung erfolgen.
Tatsächlich knüpfte die Frist für die Rückzahlung aber an die Absendung der Widerrufserklärung an. Das angerufene Gericht hielt die Formulierung für so missverständlich, dass es die Widerrufsbelehrung insgesamt für fehlerhaft hielt.
Eine weitere Fehlerquelle ergibt sich bei sogenannten verbundenen Geschäften. Ein Beispiel: Mit dem Darlehensvertrag wird zugleich eine Restschuldversicherung abgeschlossen. Enthält die Belehrung keine Hinweise über die Rechtsfolgen des Widerrufs für das verbundene Geschäft, führt auch dies zur Fehlerhaftigkeit. In jedem Fall bedarf die konkret verwendete Widerrufsbelehrung daher der genauen Überprüfung anhand der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung der Musterwiderrufsbelehrung. Welchen Sinn aber kann überhaupt der spätere Widerruf eines Darlehensvertrages machen? Die Frage beantwortet sich, wenn man die Entwicklung des Zinsniveaus betrachtet. Verbraucher, die vor mehreren Jahren zu einem erheblich höheren Zinssatz einen Darlehensvertrag abgeschlossen haben, könnten diesen gegebenenfalls zum jetzigen Zeitpunkt widerrufen und zu einem erheblichen geringeren Zinssatz einen neuen Darlehensvertrag abschließen. Dies kann unter Beachtung der aktuell zu erwartenden Zinssätze langfristig zu einer erheblichen Entlastung führen. Zu beachten ist aber, dass im Falle des wirksamen Widerrufs eines Darlehensvertrages das Darlehensvertragesverhältnis in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt wird. So muss also der erhaltende Kreditbetrag von dem Kunden an die Bank zurückgezahlt werden. Die Bank wiederum ist zur Erstattung der Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung verpflichtet.
Die Nutzungsentschädigung orientiert sich hierbei an der Höhe des jeweils geltenden Zinssatzes, der besonderes in jüngster Zeit erheblich unter dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz liegen kann. Zu beachten ist aber, dass im Falle des wirksamen Widerrufs in jedem Fall die Anschlussfinanzierung – zu einem günstigeren Zinssatz – sichergestellt sein muss.
Sofern in der Vergangenheit Kunden Darlehensverträge vorzeitig gekündigt haben gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung, bietet sich auch insoweit die Überprüfung der Widerrufsbelehrung an. Ist ein wirksamer Widerruf des – bereits gekündigten – Darlehensvertrages noch möglich, wäre auch die Vorfälligkeitsentschädigung zu erstatten.
Der Gesetzgeber beabsichtigt gegenwärtig, die Möglichkeit der Ausübung des “ewigen Widerrufsrechts” zeitlich zu beschränken. Deshalb sollten betroffene Kunden überprüfen, ob die ihre Darlehensverträge noch widerrufen können und ihren Widerrufsrecht dann auch zeitnah geltend machen.
Die recht komplexe Rechtslage bietet sich für eine ausführliche anwaltliche Beratung an. Derartig wird sowohl bezogen auf die juristische Überprüfung der Widerrufsbelehrung, als auch bei der späteren Durchsetzung im Falle eines bestehenden Widerrufsrechts dringend angeraten.
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