Familienrecht
Wann ist ein Ehevertrag sittenwidrig?
Eheleute, die sich trennen wollen, sind gut beraten, hinsichtlich der Folgen, die eine Trennung bzw. Scheidung mit sich bringen, eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung zu schließen. In einer solchen Vereinbarung können u.a. Regelungen zum Schicksal eines im Miteigentum der Beteiligten stehenden Hauses, Regelungen zum Kindes-, Trennungs- oder nachehelichen Unterhalt, zum Versorgungsausgleich oder zum Zugewinnausgleich getroffen werden.
Vorteil einer solchen Scheidungsfolgenvereinbarung ist, dass beide Eheleute innerhalb kurzer Zeit Gewissheit und Klarheit über die finanziellen und sonstigen Folgen der anstehenden Trennung bzw. Scheidung haben.
Lässt sich eine Einigung dagegen nicht erzielen, müssten streitige Punkte im Rahmen eines meist langwierigen und kostspieligen Gerichtsverfahrens geklärt werden, dessen Ausgang oft unsicher ist, wie das Sprichwort „Vor Gericht und auf Hoher See ist man in Gottes Hand“ prophezeit.
Augenmerk ist aber darauf zu legen, dass eine Scheidungsfolgenvereinbarung ihrem Inhalt nach nicht sittenwidrig sein darf. Scheidungsfolgenvereinbarungen unterliegen der Inhaltskontrolle durch die Gerichte. Um nicht Gefahr zu laufen, dass einer der Beteiligten sich nach Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung auf deren Sittenwidrigkeit beruft mit der Folge, dass die Vereinbarung unwirksam ist, ist bei der Gestaltung der einzelnen Regelungen darauf zu achten, dass die Vereinbarungen insgesamt ausgewogen sind und sich nicht evident einseitig zu Lasten des Ehemannes oder der Ehefrau auswirken. Hierauf hat der beurkundende Notar besonders zu achten.
Das OLG Karlsruhe hatte sich jüngst mit einer Scheidungsfolgenvereinbarung zu befassen. Der der Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 31.03.2021, Az. 5 UF 125/20 zugrunde liegende Sachverhalt war folgender:
Der Ehemann – 50 Jahre alt – und die Ehefrau – 39 Jahre alt – haben 2003 geheiratet. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Die Ehefrau hatte allerdings einen Sohn aus erster Ehe, der bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung 5 Jahre alt war. Der Ehemann hat die deutsche Staatsangehörigkeit, die Ehefrau kam aus Weißrussland und ist studierte Physikerin. Die Ehefrau zog im Januar 2003 mit ihrem Sohn endgültig zu ihrem Mann nach Deutschland. Bei ihrer Einreise in die Bundesrepublik war die Ehefrau ohne eigenes Erwerbseinkommen, besuchte einen Sprachkurs und war arbeitssuchend gemeldet.
Die Scheidungsfolgenvereinbarung, welche die Beteiligten im März 2004 schlossen, sah u.a. vor, dass derjenige, der im letzten Jahr vor der Scheidung ein geringeres Jahreseinkommen hat, von dem Mehrverdienenden den Betrag von 2.000,00 € erhält. Ferner war der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft ausgeschlossen und Gütertrennung vereinbart. Zudem war der Versorgungsausgleich dahingehend ausgeschlossen, dass die in der Ehezeit bis zur Einbürgerung der Ehefrau (ist nie erfolgt) erworbenen Rentenanwartschaften nicht auszugleichen sind. Schließlich war vereinbart, dass, sofern die Ehe innerhalb von drei Jahren geschieden werden sollte, beide Ehepartner jeweils auf nachehelichen Unterhalt verzichten.
Das OLG Karlsruhe kommt zunächst zu dem Ergebnis, dass der Ausschluss des Zugewinnausgleichs durch Vereinbarung der Gütertrennung bei isolierter Betrachtung nicht zu beanstanden sei. Der auf drei Jahre befristete Unterhaltsverzicht sei grundsätzlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Problematisch sei allerdings, dass damit – jedenfalls innerhalb der ersten drei Jahre nach der Eheschließung – auch auf den Unterhalt wegen Betreuung eines gemeinsamen Kindes gem. § 1570 BGB verzichtet worden sei, obwohl bei der Beurkundung ein latenter Kinderwunsch vorhanden gewesen sei. Die besonders geschützten Kindesbelange seien daher nicht ausreichend gewahrt. Darüber hinaus sei der kompensationslose Ausschluss des Versorgungsausgleichs unwirksam, sofern ein Ehegatte dadurch über keine hinreichende Alterssicherung verfügt.
Das OLG kommt zu dem Zwischenergebnis, dass die Regelungen der Scheidungsfolgenvereinbarung objektiv einseitig ausschließlich die Ehefrau benachteiligen und den Ehemann als den wirtschaftlich Stärkeren mit dem alleinigen Einkommen und der damit nur ihm möglichen Vermögensbildung begünstigen.
Die Annahme der Sittenwidrigkeit einer Scheidungsfolgenvereinbarung setzt neben der objektiven einseitigen Benachteiligung nach der Rechtsprechung zudem ein subjektives Moment voraus. Es müssen außerhalb der Urkunde liegende Umstände hinzutreten, die auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten schließen lassen. Dies ist nach der Rechtsprechung z.B. erfüllt, wenn der Begünstigte eine Zwangslage oder die wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit des anderen oder dessen intellektuelle Unterlegenheit ausnutzt.
Das OLG führt in seiner Entscheidung hierzu aus, dass die Ehefrau eine neu zugereiste Ausländerin sei, die sich in einem fremden Land zurechtfinden müsse, dagegen in ihrer Heimat eine lukrative Arbeitsstelle aufgegeben habe und daher von ihrem Ehemann in wirtschaftlicher und persönlicher Hinsicht vollkommen abhängig sei. Die Ehefrau sei ferner einkommenslos und darüber hinaus ihrem 5jährigen Sohn allein unterhaltspflichtig. Wegen des mitgebrachten Kindes sei die Ehefrau auf den guten Willen ihres Mannes angewiesen.
Im Ergebnis stuft das OLG die Scheidungsfolgenvereinbarung als sittenwidrig und damit unwirksam ein.
Der Fall zeigt neben vielen weiteren Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema, dass die Vertragsfreiheit der Beteiligten im Rahmen des Abschlusses von Scheidungsfolgenvereinbarungen bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit reicht. Damit eine Scheidungsfolgenvereinbarung Bestand hat und es keine bösen Überraschungen gibt, ist stets darauf zu achten, dass die Beteiligten unter Mitwirkung des Notars faire und ausgewogene Lösungen finden.
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