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VW-Abgas Skandalrechtliche Bestandsaufnahme für betroffene Autokäufer
Der Skandal um manipulierte Abgaswerte hat das Image des grundsolide erscheinen Volkswagenkonzerns schwer beschädigt. Ausmaß und Folgen der Manipulationen lassen sich derzeit noch nicht abschließend beurteilen. Sicher ist offenbar nur, dass der Volkswagenkonzern tatsächlich bei Diesel-Motoren des Typs 189 eine Manipulationssoftware eingesetzt hat. Anlass des Einsatzes war nach bisheriger Kenntnis, dass bei Diesel-Motoren in den USA strengere Emissionsgrenzwerte gelten als in Europa. Die Abgaswerte von Dieselfahrzeugen lassen sich jedoch nur mit erheblichem technischen Aufwand reduzieren, etwa durch besondere Partikelfilter oder durch die Zugabe einer Harnstofflösung, des sogenannten AdBlue. Im realen Fahrbetrieb wäre eine Reduzierung der Emissionen jedoch mit einem erheblichen AdBlue-Verbrauch einhergegangen, so dass die Kunden in kurzen Intervallen diesen Zusatzstoff hätten auffüllen lassen müssen. Um dies zu vermeiden, bewirkt die verwendete Software im normalen Fahrbetrieb eine Reduzierung der AdBlue-Zugabe, wiederum verbunden mit einer erheblichen Erhöhung der Emissionen. Während eines von der Software als solchem erkannten Testlauf ist dagegen auf die reguläre AdBlue-Zugabe umgestellt worden, um die Grenzwerte einhalten zu können. Nach dem von VW vorgelegten Plan zur weiteren Vorgehensweise soll eine Rückrufaktion erfolgen, in deren Rahmen bei 2,0 Liter Motoren die Installation einer neuen Software erfolgen soll, während bei 1,6 Liter Motoren eine motortechnische Anpassung vorgenommen werden soll. Fraglich ist, ob unabhängig von den von VW selbst vorgeschlagenen Maßnahmen Gewährleistungsansprüche betroffener Kunden bis zu einem Rücktritt vom Kaufvertrag gegeben sein können. Da dies sehr kontrovers diskutiert wird, kann an dieser Stelle nur eine erste Einschätzung gegeben werden. Zu beachten ist zunächst, dass sich Gewährleistungsansprüche ausschließlich gegen den Vertragspartner richten. Dies ist in aller Regel der Händler, bei dem das Fahrzeug gekauft wurde, nicht jedoch der Volkswagenkonzern unmittelbar. Grundvoraussetzung für das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen ist das Vorliegen eines Mangels. Nach der gesetzlichen Regelung der §§ 434 ff. BGB ist dies unter anderem der Fall, wenn das gekaufte Fahrzeug bei Übergabe an den Käufer nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Die vereinbarte Beschaffenheit kann sich nicht nur aus individuellen Absprachen der Parteien ergeben. Zur Beschaffenheit können auch solche Eigenschaften gehören, die der Käufer auf der Grundlage von Angaben des Herstellers in der Werbung erwarten kann. Die Einhaltung bestimmter Abgaswerte kann folglich sowohl aufgrund individueller Vereinbarungen im Kaufvertrag als auch aufgrund werbender, dem Verkäufer bekannter Angaben des Herstellers zur Beschaffenheit des Fahrzeugs gehören. Nach Ansicht des Verfassers stellt der Umstand, dass die Abgaswerte tatsächlich nicht eingehalten werden, einen Mangel des Fahrzeugs dar. Nach der Systematik der Gewährleistungsansprüche kann der Käufer aber auch bei Vorliegen eines Mangels nicht ohne Weiteres von dem Kaufvertrag zurücktreten. Dem Verkäufer steht zunächst grundsätzlich ein Nacherfüllungsanspruch zu, der hier letztlich auf eine Nachbesserung gerichtet sein dürfte. Möglich wäre eine Nachbesserung durch die von VW unmittelbar vorgeschlagenen Maßnahmen. Fraglich und unsicher ist jedoch, ob der Mangel hierdurch tatsächlich auch beseitigt werden kann. Denkbar ist, dass auch nach den von VW vorgeschlagenen Maßnahmen die Abgaswerte, die Gegenstand der vereinbarten Beschaffenheit sind, nicht erreicht werden können. Denkbar ist auch, dass die vereinbarten Werte nur auf eine Weise erreicht werden können, die weitere Nachteile für den Kunden mit sich bringen. Hierzu gehören mögliche Mehrkosten durch einen höheren AdBlue-Verbrauch, kürzere Wartungsintervalle oder ein Leistungsverlust.
Können die der vereinbarten Beschaffenheit entsprechenden Abgaswerte trotz durchgeführter Nachbesserungsmaßnahmen nicht eingehalten werden, stellt sich die Frage, ob ein Rücktritt vom Vertrag möglich ist. Zur Beantwortung dieser Frage wäre es denkbar, an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Frage des zu hohen Kraftstoffverbrauchs anzuknüpfen. So hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 08.05.2007, AZ: VIII ZR 19/05, festgestellt, dass bei einer Abweichung des Kraftstoffverbrauchs eines verkauften Neufahrzeuges von den Herstellerangaben um mehr als 10 % ein Rücktritt möglich sei. In Anwendung vergleichbarer Grundsätze müsste daher im Einzelfall durch einen Sachverständigen überprüft werden, wie hoch letztlich die tatsächliche Abweichung von den vereinbarten Werten ist.
Besonders wichtig für die Frage der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen ist die Beachtung der einschlägigen Verjährungsfristen. Soweit ersichtlich, ist der betroffene Motortyp bereits seit dem Jahre 2008 verbaut worden. Die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen für Neufahrzeuge beträgt nach der gesetzlichen Regelung jedoch nur zwei Jahre ab Übergabe des Fahrzeugs. Bei Gebrauchtfahrzeugen kann zudem eine kurze Verjährungsfrist von einem Jahr vereinbart werden. Für eine große Anzahl von Fahrzeugen dürfte daher gelten, dass Gewährleistungsansprüche bereits infolge Eintritts der Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden können. Zu bemerken ist jedoch, dass auch diese Fahrzeuge gleichwohl von der beabsichtigten Rückrufaktion betroffen sind.
Auch wenn der Manipulationskandal insbesondere für die zahlreichen Mitarbeiter des Volkswagenskonzerns – die durch ihre Arbeit zu dem bisher gutem Image beigetragen haben – besonders bitter ist, bietet er doch Anlass zu kontroversen Diskussionen juristischer Streitfragen. Diese können wie eingangs ausgeführt zunächst nur vorläufig beurteilt werden. Käufer betroffener Fahrzeuge sollten jedoch durchaus in Erwägung ziehen, sich anwaltlich beraten zu lassen, zumal tatsächlich bereits mehrere Klageverfahren gegen VW anhängig sind.
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