Zivilrecht
Vergleich im Volkswagen-Verfahren
Pünktlich zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung zur Muster-Feststellungsklage hatte die Verbraucherzentrale Bundesverband am 01.11.2018 die erste Muster-Feststellungsklage gegen den Volkswagen Konzern beim Oberlandesgericht Braunschweig eingereicht. Gegenstand war die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus Anlass der im Jahre 2015 bekannt gewordenen Manipulationen an dem Motortyp EA185, der in vielen Fahrzeugen von Marken des VW Konzerns verbaut worden war. Zu der Muster-Feststellungsklage hatten sich rund 440.000 Teilnehmer angemeldet. Nach zähem Ringen haben die Verbraucherzentrale und der Volkswagen Konzern unter Vermittlung des Präsidenten des OLG Braunschweig nunmehr einen Vergleich geschlossen, der zu einer gütlichen Beilegung der Muster-Feststellungsklage führen soll. Der Inhalt des abgeschlossenen Vergleichs wird allgemein sehr zwiespältig gesehen. Im Einzelnen hierzu folgendes:
Die Vergleichssumme, die der Volkswagen Konzern insgesamt zur Verfügung stellen wird, wird sich auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 830 Mio. Euro belaufen. Im individuellen Fall sollen die betroffenen Diesel-Kunden abhängig vom Fahrzeugmodell und vom Alter des Fahrzeuges Entschädigungen zwischen 1.350,00 und 6.257,00 EUR erhalten, wobei den Kunden damit im Schnitt ca. 15 % des ursprünglichen Kaufpreises ausgezahlt werde.
Nicht alle der insgesamt rund 440.000 Muster-Kläger sollen jedoch ein entsprechendes Vergleichsangebot erhalten. Beschränkt ist dies nach dem getroffenen Vergleich vielmehr auf Diesel-Besitzer, die Ihr Fahrzeug als Verbraucher vor dem 01.01.2016 erworben haben und zu dieser Zeit ihren Wohnsitz in Deutschland hatten. Dies gilt insgesamt für rund 260.000 Geschädigte. Diesen wird der Volkswagen Konzern bis zum 20.03.2020 ein entsprechendes konkretes Vergleichsangebot unterbreiten. Hierzu wird Volkswagen die jeweils Geschädigten unmittelbar anschreiben. Die Frist zur Annahme des Vergleichsangebotes endet sodann am 20.04.2020. Sofern das Vergleichsangebot angenommen wird, soll innerhalb von zwei Wochen nach Ende der Annahmefrist eine Auszahlung der jeweiligen Beträge erfolgen, so dass durchaus eine schnelle und unkomplizierte Regelung gefunden werden könnte. Zusätzlich zu dem Vergleichsbetrag übernimmt der Volkswagen Konzern zudem im Einzelfall die Kosten einer anwaltlichen Beratung.
Die Empfänger der jeweiligen Vergleichsangebote haben daher die Möglichkeit, sich letztlich kostenfrei im Einzelfall durch einen Rechtsanwalt beraten zu lassen.
Entscheidet sich der jeweils Betroffene für eine Annahme des Angebots, so ist vorgesehen, dass zeitnah der entsprechende Vergleichsbetrag an diesen ausgezahlt wird. Nicht entscheidend ist, ob der Betroffene das Fahrzeug zwischenzeitlich weiter verkauft hat. Auch Muster-Kläger, die ihr Fahrzeug bereits veräußert haben, sind von dem Vergleich erfasst.
Mit der Annahme und Abwicklung des Vergleiches verzichtet der jeweilige Muster-Kläger zugleich auf sämtliche weitere Rechtsansprüche gegen den Volkswagen Konzern. Wie eingangs ausgeführt, wird der Inhalt des abgeschlossenen Vergleichs unterschiedlich beurteilt. So hat die Verbraucherzentrale Bundesverband als Klägerin in dem Muster-Feststellungsprozess ausgeführt, man habe für mehr gestritten.
Im Rahmen der schwierigen Verhandlungen sei das Ergebnis jedoch das maximal Erreichbare gewesen. Das Angebot von Volkswagen liege im Rahmen der bisher vor deutschen Gerichten in ähnlichen Prozessen erzielten Entschädigungssummen.
Von anderer Seite her, insbesondere von Kanzleien, die bereits bisher Diesel-Kunden in großem Umfang anwaltlich vertreten haben, wird der Vergleich eher negativ beurteilt. Dies zum Einen deshalb, weil eine große Anzahl von Muster-Klägern ein entsprechendes Vergleichsangebot gar nicht erst erhalten werde. Zum Anderen aber insbesondere mit dem Hinweis darauf, dass in geführten Einzelklagen wesentlich höhere Beträge hätten erzielt werden können.
Dreh- und Angelpunkt bei der Bewertung der Frage, ob der Vergleich angenommen werden sollte, dürfte u.a. die Frage sein, ob zu Lasten des jeweils Betroffenen bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages eine Nutzungsentschädigung für jeden gefahrenen Kilometer zuzusprechen sei, wie es zahlreicher Oberlandesgerichte bisher entschieden haben. In diesem Fall hätten die jeweiligen Kläger zwar einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, müssten sich jedoch gerade bei einer hohen Laufleistung eine erhebliche Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, die den wirtschaftlichen Vorteil letztlich fast neutralisieren kann.
Diese Frage ist bislang höchst richterlich durch den Bundesgerichtshof noch nicht geklärt worden. Gerade aus diesem Grund hat der Volkswagen Konzern auf ein Ende der Frist zur Annahme des Vergleichsangebots auf den 20.04.2020 gedrängt. Am 05.05.2020 wird nämlich der Bundesgerichtshof sich erstmalig mit einem derartigen Fall befassen und die zugrundeliegenden Streitfrage voraussichtlich klären. Im Falle der Annahme des Vergleichsangebots trägt der jeweils Betroffene damit das Risiko, dass der Bundesgerichtshof entscheiden könnte, dass eine Nutzungsentschädigung gerade nicht anzurechnen sei. In diesem Fall könnten weitere Ansprüche nach Annahme des Vergleichs nicht mehr geltend gemacht werden. Sollte der BGH jedoch gegenteilig entscheiden, würde die Annahme des Vergleichs eine schnelle und angemessene Abwicklung der Ansprüche des jeweils Betroffenen sicherstellen. Den Betroffenen kann daher im Einzelfall nur eine anwaltliche Beratung angeraten werden. Dies gilt im Übrigen auch für Personen, die bislang an der Muster-Feststellungsklage nicht beteiligt waren, gleichwohl aber noch beabsichtigen, eigene Ansprüche gegen den Volkswagen Konzern geltend zu machen.
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