Familienrecht
Umgangsrecht und Teilnahme an einer Einschulungsfeier
Wie sich aus § 1684 Abs. 1 BGB ergibt, hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. In gerichtlichen Umgangsvereinbarungen oder –entscheidungen werden die Umgangszeiten konkret festgelegt. Geregelt werden sollte darüber hinaus der Umgang in den Ferien sowie zu den Feiertagen. Allerdings lässt sich nicht jedes zukünftige Ereignis sicher und planbar vorausschauen, so dass auch in den Fällen, in denen der Umgang bereits gerichtlich festgelegt wurde, immer wieder Fragen und Unsicherheiten bzgl. der Ausgestaltung des Umgangs auftreten. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme an bedeutenden Familienereignissen, die keinen Niederschlag im gerichtlichen Verfahren gefunden haben.
Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken hatte sich in seinem Beschluss vom 30.08.2021 -Az. 2 UFH 2/21 mit der Frage zu befassen, ob dem umgangsberechtigten Vater die Teilnahme an der Einschulungsfeier seiner Tochter zu gestatten ist. Folgender Sachverhalt lag zugrunde:
Aus der Ehe der getrenntlebenden Eltern waren zwei minderjährige Kinder hervorgegangen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung fünf und sechs Jahre alt waren. Das Familiengericht Kaiserslautern hatte der Kindesmutter das Sorgerecht für beide Kinder zur alleinigen Ausübung übertragen. Mit weiterem Beschluss hatte es dem Kindesvater ein zeitlich sehr begrenztes Umgangsrecht im Umfang von zwei Stunden wöchentlich unter Begleitung des Kinderschutzbundes Kaiserslautern zugesprochen. Mit seiner dagegen eingelegten Beschwerde erstrebte der Kindesvater ein weitergehendes Umgangsrecht.
Zugleich stellte der Kindesvater einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz, mit welchem er begehrte, an der am darauffolgenden Tag stattfindenden Einschulungsfeier seiner älteren Tochter teilnehmen zu dürfen. Zur Begründung führte er aus, die Kindesmutter habe ihm in den vergangenen 18 Monaten den Kontakt zu seinen Kindern verwehrt und ihm die Teilnahme an der Einschulungsveranstaltung unter Androhung eines Polizeieinsatzes verboten, obgleich kein Kontakt- oder Näherungsverbot bestehe und seine Tochter sich den Kontakt zu ihm wünsche. Es sei zu befürchten, die Tochter könne denken, dass er sich nicht für sie interessiere, wenn er nicht an der Einschulungsfeier teilnehme.
Das Oberlandesgericht Zweibrücken lehnte den Eilantrag des Kindesvaters ab. In seiner Begründung führte es zunächst aus, dass das in § 1684 Abs. 1 BGB geregelte Umgangsrecht regelmäßig auch die Teilnahme an besonderen Ereignissen wie einer Einschulungsfeier beinhalte. Dies setze aber voraus, dass die Eltern spannungsfrei gemeinsam an dieser Veranstaltung teilnehmen können. Demgegenüber sei eine Teilnahme mit dem Kindeswohl unvereinbar, wenn die Gefahr besteht, dass die familiäre Belastung in eine für das Kind wichtige Veranstaltung hineingetragen wird.
Im vorliegenden Fall stufte das Oberlandesgericht das Verhältnis der Eltern als derart belastet ein, dass eine Teilnahme des Kindesvaters neben der Kindesmutter an der Einschulungsfeier nicht kindeswohldienlich sei. Das Verhältnis der Eltern sei geprägt von einem außergewöhnlich tiefgreifenden Trennungskonflikt. Seit der Kindesvater den Vorwurf erhoben habe, die Kindesmutter habe ihre Kinder sexuell missbraucht, sei zwischen den Eltern keine vernünftige Kommunikation mehr möglich. Im Falle eines Aufeinandertreffens der Eltern drohe der Austausch von Feindseligkeiten. Gerade weil das Ereignis der Einschulung für ein Kind regelmäßig mit hohen Erwartungen und einer besonderen Gefühlslage verbunden sei (einerseits Stolz und Vorfreude, andererseits Aufregung und Respekt), müsse eine „Eskalation auf offener Bühne“ mit schlimmstenfalls traumatischen Folgen für das Kind verhindert werden.
Hinzu kam, dass der Kindesvater nach eigenen Angaben in den vergangenen 18 Monaten keinen Kontakt zu seinen Kindern hatte und im Umgangsverfahren selbst einräumte, dass zunächst eine Anbahnung durch begleitete Umgangskontakte erfolgen müsse. Bei dieser Sachlage, so das Oberlandesgericht weiter, könnte ein Wiedersehen bei der Einschulungsfeier ohne professionelle Begleitung und Unterstützung zu einer Überforderung des Kindes führen.
Der Befürchtung des Kindesvaters, das Kind könne glauben, er habe kein Interesse an dem Kind, hielt das Oberlandesgericht entgegen, dass die Gründe des Fernbleibens des Vaters bei der Einschulungsfeier im Rahmen der begleiteten Umgangskontakte dem Kind kindgerecht mit professioneller Unterstützung vermittelt werden könnten, ohne dass das Vater-Tochter-Verhältnis hierdurch Schaden nehmen würde.
Anhand dieses Falles wird ein Grundsatz des deutschen Familienrechts deutlich: Gerichtliche Entscheidung in Kindschaftssachen, also Sorge- und Umgangsverfahren, orientieren sich stets am Kindeswohl. Es geht nicht um Gewinnen und Verlieren, sondern darum, was dem Wohl des betroffenen Kindes am besten entspricht. Obgleich § 1684 Abs. 1 BGB normiert, dass jeder Elternteil ein Recht auf Umgang mit seinem Kind hat, ist dieses Recht nicht um jeden Preis durchsetzbar, der Umgang kann sogar versagt werden.
An getrenntlebende Eltern ist zu appellieren, bei allen Feindseligkeiten untereinander die Kinder nicht aus dem Blick zu verlieren, denn sie sind nahezu immer die Leidtragenden. Steht eine Trennung an und sind Kinder im Spiel, ist es häufig ratsam, anwaltliche Beratung einzuholen, um im Sinne des Kindeswohls weg von emotionsgeladenen Konflikten hin zu sachdienlichen Lösungen zu gelangen.
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