Familienrecht
Umgang auch in Zeiten von Corona?
Wenn Eltern sich trennen, stellt sich im Hinblick auf die gemeinsamen Kinder vor allem die Frage, bei welchem Elternteil diese zukünftig leben sollen und wann und in welchen zeitlichen Abständen der nicht betreuende Elternteil Kontakt zu seinem Kind haben soll. Häufig erzielen frisch getrennte Eltern nicht nur in diesem Punkt keine Einigkeit, so dass ein gerichtliches Umgangsverfahren eingeleitet werden muss.
Welche Bedeutung aber hat eine gerichtlich geschlossene Umgangsvereinbarung bzw. ein gerichtlicher Umgangsbeschluss in Zeiten von Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung des Corona-Virus? Das Oberlandesgericht Frankfurt hat sich mit dieser Frage befasst.
In dem vom OLG Frankfurt zu entscheidenden Fall hatte die Kindesmutter den Umgang ihres Kindes mit dem Vater, von welchem sie getrennt lebt, aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie eigenmächtig ausgesetzt.
Zuvor hatte das Familiengericht Langen mit Beschluss vom 15.08.2018 den Umgang des Vaters mit dem gemeinsamen Kind der Beteiligten geregelt. Danach hatte der Vater das Recht, das gemeinsame Kind jedes zweite Wochenende von Freitag bis Sonntag sowie darüber hinaus in der Hälfte der jeweiligen Schulferien zu sich zu nehmen. In dem Beschluss wurden die Eltern darauf hingewiesen, dass bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die Umgangsregelung ein Ordnungsgeld verhängt werden kann.
Im Rahmen des deutschlandweit geltenden Lockdowns ab dem 16.03.2020 kam es zwischen den Eltern zu einem Konflikt in Bezug auf den Umgang. Die Kindesmutter teilte dem Vater mit, dass sie aufgrund der Corona-Pandemie bis auf weiteres keinen persönlichen Kontakt zwischen dem Vater und dem gemeinsamen Kind möchte. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass sie in ihrem Haushalt Risikogruppen habe. Sie selbst sei vorerkrankt, außerdem würden ihre Eltern -zwar nicht in derselben Wohnung- aber mit im Haus wohnen. Die Kindesmutter bot dem Vater an, dass er mit dem Kind telefonieren könne, außerdem könne er sein Kind auf dem Balkon sehen, man könne gern auch schon Nachholtermine vereinbaren.
Der Kindesvater war der Ansicht, dass Umgang auch in den Zeiten der Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Coronavirus stattzufinden habe und beantragte daher Anfang April 2020 beim Familiengericht Langen, wegen der Verweigerung des Umgangs gegen die Kindesmutter ein Ordnungsgeld zu verhängen.
Das Familiengericht Langen verhängte mit Beschluss vom 22.05.2020 antragsgemäß gegen die Kindesmutter ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 € mit der Begründung, sie habe schuldhaft gegen die Umgangsvereinbarung vom 15.08.2018 verstoßen. Das Familiengericht wies darauf hin, dass das aufgrund des Infektionsschutzes erlassene Kontaktverbot nicht im Verhältnis von Kindern zu ihrem in einem weiteren Haushalt lebenden Elternteil gelte, so dass Kinder weiterhin ein Recht auf Umgang mit dem nichtbetreuenden Elternteil hätten.
Die Kindesmutter legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein und begründetet diese u. a. damit, dass sie sich aus gesundheitlichen Gründen berechtigt gefühlt habe, aus einem ihrer Auffassung nach wichtigen Grund den Umgang auszusetzen. Außerdem sei es nicht zu einem vollständigen Umgangsausschluss gekommen, denn sie haben dem Vater angeboten, mit seinem Kind zu telefonieren und es auf dem Balkon zu sehen.
Das OLG Frankfurt wies die Beschwerde der Kindesmutter als unbegründet zurück. Seine Entscheidung begründete das Gericht damit, dass die Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Corona-Virus vom Grundsatz her nicht dazu führen sollen, dass Umgangskontakte von Elternteilen mit ihren Kindern nicht mehr stattfinden können. Das Gericht verwies auf die Hinweise des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Danach sei das Umgangsrecht während der Corona-Pandemie unter Beachtung der generellen Schutzvorkehrungen nicht auszuschließen. Die Empfehlung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden, beziehe sich, so das OLG Frankfurt weiter, nicht auf die Kernfamilie, auch wenn die Eltern in verschiedenen Haushalten lebten. Denn der Umgang zwischen dem nichtbetreuenden Elternteil und dem Kind gehöre zum absolut notwendigen Minimum zwischenmenschlicher Kontakte und unterfalle damit einem Ausnahmetatbestand. Etwas anderes gelte für den Fall einer behördlich verhängten Quarantäne über den Haushalt, in dem das Kind oder der umgangsberechtigte Elternteil leben oder im Fall einer nachgewiesenen Infektion entweder des Kindes oder des umgangsberechtigten Elternteils. Da in dem zu entscheidenden Fall keines der genannten Szenarien vorlag, verblieb es bei dem gegen die Kindesmutter verhängten Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 €.
Diese Entscheidung zeigt, dass gerichtlich geschlossene Vereinbarungen hinsichtlich der Ausgestaltung des Umgangs bzw. auch gerichtliche Beschlüsse zum Umgang von den Eltern einzuhalten sind bzw. ein Elternteil nicht einseitig von einem gerichtlich geregelten Umgang abweichen darf. Geschieht dies gleichwohl ohne rechtfertigenden Grund, kann gegen diesen Elternteil ein Ordnungsgeld verhängt werden. Der Hinweis auf die Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Coronavirus stellt jedenfalls keinen rechtfertigenden Grund dar. Getrenntlebenden Eltern ist daher zu empfehlen, sich hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein gerichtlich geregelter Umgang ausgesetzt bzw. ausgeschlossen werden und inwieweit ein gerichtlich geregelter Umgang „in Stein gemeißelt“ ist oder abgeändert werden kann, fachanwaltlich beraten zu lassen.
Comments are closed