Allgemein
Maskenpflicht an Schulen: Kinderschutzanträge gegen Corona-Schutzmaßnahmen
Die am 24.08.2021 erlassene Niedersächsische Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (kurz: Niedersächsische Corona-Verordnung) trat am 25.08.2021 in Kraft und galt bis zum 22.09.2021. Sie regelte in § 16 unter der Überschrift „Schulen“ in Satz 4:
„In einem Schulgebäude hat jede Person während des Schulbetriebs eine Mund- und Nasenbedeckung zu tragen.“
Diese Regelung enthielt gegenüber den bisherigen Corona-Verordnungen eine spezielle Neuerung. Nunmehr war jede Person verpflichtet, innerhalb von Schulgebäuden eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Die MNB-Pflicht im Unterricht wurde ausgeweitet, indem sie inzidenzunabhängig griff und alle Schuljahrgänge erfasste. In der Begründung zur Verordnung seitens des Gesundheitsministeriums hieß es, diese Maßnahme sei notwendig, um den Präsenzunterricht für alle Schülerinnen und Schüler möglichst aufrecht zu erhalten. Im Falle einer Infektion einer Schülerin oder eines Schülers trage die MNB dazu bei, eine Verbreitung des Virus einzudämmen und eine Quarantänisierung von Mitschülerinnen und Mitschülern zu vermeiden. Demgegenüber belegen aktuelle Studien, so das Ministerium in seiner Begründung weiter, dass keine besondere Belastung durch das Tragen einer Maske entstehe. Die Maßnahme trage der Tatsache Rechnung, dass die derzeit dominierende Delta-Variante besonders leicht übertragbar sei und jüngeren Schülerinnen und Schülern eine Impfung bisher nicht offenstehe. Aus diesem Grund erfasste die MNB-Pflicht erstmals auch den Unterricht der Schuljahrgänge 1 bis 4.
Zahlreichen Eltern bereitet die Maskenpflicht für Schülerinnen und Schüler in der Schule und vor allem während des Unterrichts Unbehagen. Die Eltern beklagen, ihre Kinder hätten durch das Tragen der MNB häufig Kopfschmerzen am Ende des Unterrichtstages, ihnen sei zudem oft übel, wenn sie eine Maske tragen müssten. Ihre Kinder würden unter Beeinträchtigungen wie Unwohlsein, Benommenheit, Müdigkeit, Engegefühl unter der Maske, Schwindel, trockenem Hals, Kraftlosigkeit, Gefühl der Atemnot, Jucken der Nase etc. leiden. Das Tragen einer Maske im Unterricht wirke sich auf die Kinder auch psychisch negativ auf, indem die Kinder weniger fröhlich und häufiger gereizt seien als sonst, sie nicht mehr gern zu Schule gingen, unruhiger seien und schlechter schliefen als sonst.
Bei den Amtsgerichten der Republik, insbesondere bei den Familiengerichten, gingen eine Vielzahl von Anträgen besorgter Eltern ein, beim Amtsgericht/ Familiengericht Hannover allein über 100. Die Eltern begehrten von den Familiengerichten ein unmittelbares Einschreiten gegen die Leitung bzw. die Lehrkräfte an den Schulen. Ziel der Verfahren war es, die Lehrkräfte und die Schulleitung zur Aufhebung der dort geltenden Maskenpflicht anzuweisen.
Die Anträge waren gestützt auf § 1666 BGB. Danach hat das Familiengericht ein Sorgerechtsverfahren einzuleiten und die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind, wenn das körperliche, seelische oder geistige Wohl eines Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. In diesen Verfahren geht es darum, Kinder aus akuten, gefährlichen Situationen zu retten, etwa weil Gewalt oder Missbrauch droht, durch die Eltern oder andere. Antragsteller sind überwiegend die zuständigen Jugendämter, die Missstände in den Familien beobachtet haben oder auf andere Weise auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung aufmerksam gemacht worden sind.
Bei den auf § 1666 BGB gestützten Kinderschutzanträgen zur Aufhebung der Maskenpflicht an den Schulen und insbesondere im Unterricht ging es dagegen darum, die jeweils gültige Corona-Verordnung, welche das Tragen von Masken in den Schulen anordnet, auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Einige Familiengerichte verwiesen daher an die örtlich zuständigen Verwaltungsgerichte. Diese sahen die Zuständigkeitsfrage ebenso als ungeklärt an und riefen deshalb das Bundesverwaltungsgericht an. Dieses entschied mit Beschluss vom 16.06.2021, Az. BVerwG 6 AV 1.21, dass für die Entscheidung, über eine an ein Amtsgericht/ Familiengericht gerichtete Anregung, die auf gerichtliche Anordnungen gegen eine Schule gem. § 1666 BGB wegen der Corona-Schutzmaßnahmen zielt, die Amtsgerichte/Familiengerichte zuständig sind.
Das Amtsgericht/ Familiengericht Weimar hielt einen auf § 1666 BGB gestützten Kinderschutzantrag gegen die Corona-Schutzmaßnahmen und insbesondere die Maskenpflicht für begründet und untersagte mit Beschluss vom 08.04.2021 Az. 9 F 148/21 den Leitungen und Lehrern der dort betroffenen Schule, für die dort unterrichteten Kinder anzuordnen, dass sie im Unterricht und auf dem Schulgelände eine Maske tragen müssen.
Bei dieser Entscheidung handelt es sich jedoch um einen bundesweit umstrittenen und viel diskutierten Beschluss, den die juristische Fachwelt mit Kopfschütteln quittiert. Juristisch ist dieser Beschluss schon allein deshalb fragwürdig, weil die Frage, ob das Handeln der Verwaltung, hier das Erlassen von Verordnungen, Recht und Gesetz entspricht, von den Verwaltungsgerichten zu prüfen ist. Die Entscheidung des Amtsgerichts Weimar wurde nicht rechtskräftig, das OLG Thüringen hat den Beschluss wieder aufgehoben.
Inzwischen haben die meisten Gerichte die Maskenpflicht an Schulen bestätigt. Sämtliche von den Eltern gestellte Kinderschutzanträge hatten nicht den gewünschten Erfolg.
Am 21.09.2021 wurde die aktuelle Corona-Verordnung geändert. § 16 wurde um den folgenden weiteren Satz 5 ergänzt:
„Abweichend von Satz 4 darf in den Schuljahrgängen 1 und 2 die Mund-Nasen-Bedeckung in Unterrichts- und Arbeitsräumen abgelegt werden, soweit und solange die pflichtige Person einen Sitzplatz eingenommen hat.“
Diese neue Regelung gilt bis zum 10.11.2021 und trägt dem Umstand Rechnung, dass die MNB-Pflicht gerade Grundschüler der Jahrgänge 1 und 2, die in der Regel nicht älter als 8 Jahre sind, besonders belastet und das Vermitteln der Grundkenntnisse wie Lesen und Schreiben besonders erschwert.
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