Allgemein
Kündigung von Bausparverträgen
Bereits seit längerer Zeit herrscht nicht nur in Deutschland ein Niedrigzins-Niveau vor. So positiv sich dies für Personen auswirkt, die etwa zwecks Finanzierung eines Immobilienkauf auf ein Darlehen angewiesen sind, so negativ schlagen sich die Folgen für denjenigen nieder, der schlicht etwas Erspartes gewinnbringend anlegen möchte. Weder mit Festgeld, Tagesgeld oder Staatsanleihen lässt sich gegenwärtig eine nennenswerte Rendite erzielen, vom alt hergebrachten Sparbuch ganz zu schweigen. Glücklich schätzen können sich in dieser Situation dagegen u. a. diejenigen, die bereits vor längerer Zeit einen Bausparvertrag zu den damals üblichen Bedingungen abgeschlossen haben. So wurden vor rund 20 Jahren in der Regel Zinsen von um die 3 % vereinbart. Inhaber von Bausparverträgen, die zwar zuteilungsreif sind, die das Darlehen aber nicht in Anspruch nehmen, profitieren damit durchaus von der vergleichsweise guten Verzinsung.
Die hoch verzinsten Alt-Verträge stellen dementsprechend für die Bausparkassen gegenwärtig ein wirtschaftliches Problem dar, da die seinerzeit vereinbarten Zinssätze die Erträge belasten. Viele Bausparkassen sind daher zur Verärgerung der Bausparer dazu übergegangen, Alt-Verträge einfach zu kündigen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine derartige Kündigung ausgesprochen werden kann und darf, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Da verschiedene, sich widersprechende Entscheidungen einiger Oberlandesgerichte vorliegen – eine Rechtssicherheit schaffende Entscheidung des BGH aber noch aussteht – ist die Rechtslage etwas verfahren und kann im Überblick wie folgt dargestellt werden:
Bausparverträge durchlaufen verschiedene Phasen. Auf den Abschluss des Vertrages folgt zunächst die Ansparphase, in der regelmäßige Zahlungen auf den Vertrag geleistet werden. Wenn die im Vertrag vereinbarte Mindestsumme erreicht ist und zudem weitere Kriterien erfüllt sind, hat der Vertrag grundsätzlich Zuteilungsreife. Entscheidet sich der Bausparer, das Darlehen nicht in Anspruch zu nehmen, kann er weiter ansparen. Folge ist zunächst, dass die mögliche Darlehenssumme zwangsläufig geringer wird, je höher das angesparte Guthaben ist. Wird weiter gespart, bis die volle Bausparsumme erreicht ist, kann kein Bauspardarlehen mehr in Anspruch genommen werden. Der Bausparvertrag hat seinen Zweck damit mehr oder weniger erfüllt. Soweit ersichtlich dürfte Einigkeit dahingehend bestehen, dass in dieser Situation die Bausparkasse zur Kündigung des Bausparvertrages berechtigt ist. Bestätigt worden ist dies auch von den Oberlandesgerichten Frankfurt am Main und Stuttgart, die übereinstimmend in der Begründung ausführten, dass Zweck des Bausparens nicht die Gewährleistung einer zinsgünstigen Geldanlage sei, sondern letztendlich eines Bauspardarlehens.
Diese Begründung entspricht auch die von den Ombudsleuten der privaten Bausparkasse seit dem Jahre 2008 vertretenen Auffassung. Auch diese waren der Ansicht, dass der eigentliche Vertragszweck, nämlich die Gewährung eines zinsgünstigen Darlehens in der Regel nicht mehr erreicht werden kann, wenn durch die Sparleistung des Bausparers die Bausparsumme erreicht oder überschritten ist. In diesen Fällen seien die Bausparkassen berechtigt, die Verträge mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten nach § 488 Abs. 3 BGB zu kündigen.
Sehr streitig ist dagegen die Frage, ob Bausparkassen berechtigt sind, Verträge, die zwar bereits zuteilungsreif sind, die Bausparsumme aber noch nicht voll angespart ist, zu kündigen, wie es verstärkt seit dem Jahre 2014 von den Bausparkassen gehandhabt wird.
Die Argumentation, der Zweck des Bausparvertrages sei entfallen, greift in diesen Fällen zwar gerade nicht, da immer noch die Möglichkeit besteht, ein Darlehen abzurufen. Gleichwohl hat die obergerichtliche Rechtsprechung verschiedentlich zugunsten der Bausparkassen entschieden. Exemplarisch zu verweisen ist hierzu auf eine aktuelle Entscheidung des OLG Koblenz vom 29.07.2016. Das OLG Koblenz hat ausgeführt, das Kündigungsrecht der Bausparkasse ergebe sich aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wonach ein Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit festem Zinssatz 10 Jahre nach vollständigem Empfang kündigen könne. Das OLG will angesichts einer vergleichbaren Interessenlage diese Vorschrift auch auf Bausparverträge angewendet sehen, da in der Ansparphase der Bausparer als Darlehensgeber und die Bausparkasse als Darlehensnehmerin anzusehen sei. Entsprechend der gesetzlichen Regelung könne daher unabhängig von der Frage, ob die Bausparsumme schon voll erreicht ist, der Bausparvertrag spätestens nach 10 Jahren nach Eintritt der Zuteilungsreife durch die Bausparkasse gekündigt werden. Gänzlich entgegengesetzt ist in einer weiteren aktuellen Entscheidung vom 10.08.2016 durch das OLG Bamberg entschieden worden. Die Richter des hier zuständigen Senats sahen anders als ihre Koblenzer Kollegen ein Sonderkündigungsrecht im Sinne des § 489 BGB gerade nicht für gegeben. Beide Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig.
Nach Ansicht des Verfassers ist es durchaus zweifelhaft, ob sich die gesetzliche Kündigungsvorschrift überhaupt auf Bausparverträge anwenden lässt. Auch die Frage, ob die Zuteilungsreife mit dem gesetzlichen vorgesehenen Empfang des Darlehens gleich gesetzt werden kann – ab dem die 10-Jahres-Frist läuft – dürfte sehr streitig sein.
Im Ergebnis kann daher zumindest Inhabern von Bausparverträgen, die zwar zuteilungsreif sind, die volle Bausparsumme aber noch nicht erreicht worden ist, angeraten werden, bei Erhalt einer Kündigung durch die Bausparkasse möglichst umgehend anwaltlichen Rat einzuholen.
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