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Knöllchen aus dem EU-Ausland: Unliebsames Souvenir als Urlaubsandenken
Die meisten Staaten der EU haben den EU-Rahmenbeschluss zur Geldsanktionenvollstreckung umgesetzt. Nicht dazu gehören Griechenland, Irland und Italien; diese Länder können eine grenzüberschreitende Vollstreckung der Geldforderung nicht betreiben.
Zuständig für die Vollstreckung ist in Deutschland das Bundesamt für Justiz. Inkassounternehmen, die bereits in der Vergangenheit versuchten, Bußgelder beizutreiben, haben insoweit keinerlei Befugnisse. Der EU-Staat muss beim Bundesamt einen Antrag auf Vollstreckungshilfe stellen, dem ein mehrseitiges Formblatt mit Angaben zum Verfahren und die Entscheidung selbst beigefügt sein muss. Die Entscheidung muss in deutscher Sprache vorgelegt werden. Vollstreckt werden können Bußgeldbescheide, die nach Inkrafttreten des Gesetzes ausgestellt wurden.
Nicht entscheidend ist dabei das Datum der Verkehrsübertretung. Wichtig ist dies vor allem deshalb, weil in zahlreichen EU-Staaten erheblich längere Verjährungsfristen vorgesehen sind als in der Bundesrepublik Deutschland.
Das Bundesamt wird eine Vollstreckung allerdings nicht durchführen, wenn die Geldsanktion unter 70,00 EUR liegt. Dem Bußgeld sind jedoch die Verfahrenskosten hinzuzurechnen, so dass z. B. auch ein Bußgeld von 50,00 EUR vollstreckt werden kann, wenn die Verfahrenskosten mindestens 20,00 EUR betragen. Weitere Voraussetzung für die Vollstreckung ist, dass der Betroffene von der ausländischen Behörde bei seinem schriftlichen Verfahren – was der Regelfall sein wird – über das Verfahren verständlich und in deutscher Sprache informiert und über seine Rechte belehrt worden ist.
Nicht vollstrecken wird das Bundesamt für Justiz im Übrigen in Fällen, in denen der Betroffene auf der Grundlage der sogenannten Halterhaftung mit einem Bußgeldbescheid belastet wird. In mehreren Ländern, etwa in den Niederlanden oder Frankreich, wird für einen Verkehrsverstoß grundsätzlich der Halter eines Fahrzeugs und nicht der Fahrer belangt. In Deutschland dagegen gilt das Gegenteil; eine Ausnahme besteht nur im Fall der Kostenhaftung für Verstöße im ruhenden Verkehr.
Parksünder sind vorliegend eindeutig im Vorteil! Denn um ein Bußgeld überhaupt eintreiben zu können, muss die ausländische Behörde des Reiselandes wissen, gegen wen der Bescheid ergehen soll. Mithilfe des Kennzeichens kann zwar die ausländische Behörde eine Anfrage beim Kraftfahrtbundesamt in Deutschland stellen, das die Halterdaten auch herausgibt, aber nur bei Verstößen, die die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden. Dies mag bei Alkohol am Steuer, zu schnellem Fahren und Rotlichtverstößen der Fall sein. Keineswegs gilt die Auskunftsplicht für Parkverstöße mit der Maßgabe, dass die ausländische Behörde den Halter in der Regel nicht anschreiben kann.
Kommt das Bundesamt allerdings zu dem Ergebnis, die Vollstreckung sei zulässig, gibt es dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme und entscheidet hiernach über die Bewilligung der Vollstreckung. Wird dieser Bescheid, gegen den Einspruch eingelegt werden kann, rechtskräftig, kommt es tatsächlich zur Vollstreckung, die allerdings nur Geldforderungen betrifft. Kostet der Verstoß den Führerschein, kann das in Deutschland nicht umgesetzt werden. Ebenso wenig gibt es für Verstöße im Ausland Punkte beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg.
Die EU-Auslandsbehörden machen allerdings nur in sehr eingeschränktem Maße von der Vollstreckungsmöglichkeit Gebrauch. Der erhebliche bürokratische Aufwand schreckt ab, denn der Nutzen hält sich in Grenzen. Denn zwangsweise beigetriebene Gelder werden nicht ins Ausland abgeführt, sondern verbleiben in dem jeweiligen Vollstreckungsstaat, mithin dann in Deutschland. Deshalb ist auch insgesamt gesehen die EU-Knöllchen-Vollstreckungspraxis sehr träge. Sie bringt den ausländischen Behörden nur Arbeit und keinen Gewinn. Das EU-Abkommen leidet von Anfang an unter diesem Kardinalfehler. Der Vollstreckunserlös verbleibt in dem Vollstreckungsstaat! Der sogenannte ersuchende Staat – also der, der das Geld bei den Verkehrssündern eintreiben muss – geht dagegen leer aus, obwohl er den überwiegenden Teil des bürokratischen Aufwandes zu tragen hat. Dies erhöht sicherlich nicht den Arbeitseifer der ausländischen EU-Behörden!
Der Betroffene sollte allerdings bei Erhalt eines Bußgeldbescheides nicht zu sorglos sein, denn viele EU-Staaten sehen für den Fall der Nichtzahlung erhebliche Zuschläge vor, die aus einem vergleichsweise kleinen Bußgeld eine teure Angelegenheit werden lassen können. Das Risiko verbleibt bei einer erneuten Einreise in das ausstellende EU-Land. Denn anlässlich einer Verkehrskontrolle droht auch ohne Weiteres durch diese Behörde die Vollstreckung.
Wer sich gegen einen ausländischen Bußgeldbescheid rechtlich wehren möchte, ist auf die Einschaltung eines Rechtsanwalts angewiesen, sofern er nicht einfach darauf vertraut, dass die Sache im Sande verläuft. Die Wahrscheinlichkeit ist unter Beachtung vorstehender Ausführungen groß, dass der Vorgang nicht weiterverfolgt wird. Dennoch zahlen die meisten Verkehrsteilnehmer selbst bei Parkverstößen freiwillig, obwohl sie vorliegend viel Geld sparen könnten. Urlauber, die nach ihrer Rückkehr nichts mehr von dem Verkehrsdelikt hören, können die Angelegenheit getrost einfach aussitzen. Aussitzen gilt auch für Briefe von Inkassobüros. Denn diese haben keine Möglichkeit, die Forderung zu vollstrecken.
Wenn der Betroffene allerdings Post von einem deutschen Gericht oder von dem Bundesamt zugestellt bekommt, sollte er diese genau sichten. Kommt ihm der Inhalt “spanisch” vor, ist der Besuch des Anwalts zu empfehlen.
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