Allgemein
Ende der Störerhaftung für WLAN-Netzbetreiber?
Das Internet hat in unserer Gesellschaft über die Jahre hinweg eine immer größere Bedeutung gewonnen. Aktivitäten in sozialen Netzwerken, Einkäufe über Internetportale oder die Nutzung von Nachrichtenseiten gehören zum Alltag und seien nur exemplarisch genannt. Fast schon im Hintergrund steht hierbei der Internetzugang über den heimischen Rechner. Im Smartphone-Zeitalter spielt vielmehr das “wireless local area network” – kurz: WLAN- eine erhebliche Rolle. Offene WLAN-Netze, über die ohne weitere Einschränkung gesurft werden kann, gehören z.B. in vielen gastronomischen Betrieben zum Service und finden sich auch an zahlreichen öffentlichen Orten – bisher allerdings überwiegend im Ausland. In Deutschland laufen Anbieter offener WLAN-Netze zumindest bislang in die Gefahr, als sogenannte Störer in Anspruch genommen zu werden, wenn Dritte über das WLAN-Netz Urheberrechtsverletzungen begehen, in dem sie z.B. illegal Filme, Musikstücke oder anderes urheberrechtliches Material auf ihre Geräte herunterladen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist bislang davon auszugehen, dass eine Person, die durch das Bereitstellen eines Internetanschlusses die technischen Möglichkeiten dafür schafft, dass eine Rechtsverletzung begangen wird, auch hierfür haftet. Eine Haftung kann dann ausgeschlossen sein, wenn besondere Sicherungsmaßnahmen, wie etwa eine Verschlüsselung getroffen werden. Die Gefahr, die hohen Kosten einer Abmahnung tragen zu müssen und das Risiko Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu sein, haben daher dafür gesorgt, dass im Inland weitaus weniger offene Netze zur Verfügung stehen, als im Ausland. Dieser Aspekt ist vielfach gerügt worden. Auf die Kritik an der geltenden Rechtslage hat der Gesetzgeber bereits seit längerer Zeit über Änderungen des Telemediengesetzes beraten, die die Anbieter offener WLAN-Netze besser absichern sollten. Nicht zuletzt geprägt durch ein Gutachten des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof hat die Regierungskoalition sich nunmehr auf eine Änderung des Telemediengesetzes verständigt, die am 02.06.2016 durch den Bundestag beschlossen worden ist und in den Medien teilweise als das Ende der sogenannten Störerhaftung gefeiert worden ist. Im Einzelnen sieht die Änderung folgendes vor:
- 8 Telemediengesetz enthält bereits bislang das sogenannte Providerprivileg, wonach der Anbieter von Telekommunikationsdiensten grundsätzlich für Informationen, die in seinem Kommunikationsnetz übermittelt oder zu denen der Zugang zur Nutzung vermittelt wird, nicht verantwortlich ist. Die Änderung des Telemediengesetzes sieht nunmehr die Anfügung eines dritten Absatzes vor. Hiernach soll das Providerprivileg aus den Absätzen 1) und 2) auch für Anbieter gelten, die Nutzern einen Zugang zu einem drahtlosen lokalen Netzwerk zur Verfügung stellen. Geschützt wäre hiernach etwa der Gastronom, der seinen Gästen ein offenes WLAN-Netz zur Verfügung stellt, aber auch ein rein privater Anbieter. Nach der Änderung des Telemediengesetzes Anfang Juni ist in der Presse dementsprechend berichtet worden, der Gesetzgeber habe die Störerhaftung für Betreiber offener Netze abgeschafft. Derartige Äußerungen dürften leider vorschnell, wenn nicht irreführend sein. Die Änderung des Gesetzes ist zu Recht erheblich kritisiert und teilweise als Mogelpackung bezeichnet worden.
Hintergrund der Kritik ist folgender:
Nach der Begründung des Gesetzes soll Rechtssicherheit für WLAN-Anbieter geschaffen werden, so dass das Gesetz bewußt keine besonderen Prüfpflichten für WLAN-Anbieter vorsehe. Desweiteren wird in der Gesetzesbegründung angeführt, der WLAN-Anbieter solle umfassend vor Ansprüchen wegen Urheberrechtsverletzungen geschützt werden, wobei in der Gesetzesbegründung neben Schadensersatzansprüchen ausdrücklich auch Unterlassungsansprüche genannt werden. Während aber in einem vorhergehenden Entwurf der Neuregelung ausdrücklich von einer Haftungsprivilegierung im Hinblick auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche die Rede war, findet sich dies in dieser Form nicht in der beschlossenen Änderung wieder. Da aber die Haftungsprivilegierung des § 8 Telemediengesetz nach der Rechtsprechung des BGH gerade nicht für Unterlassungsansprüche gilt, besteht nach Ansicht zahlreicher Kritiker die Gefahr, dass Anbieter offener WLAN-Netze auch künftig, wenn schon nicht auf Schadensersatz so doch zumindest auf Unterlassung in Anspruch genommen werden könnten, was ebenfalls mit erheblichen Kosten verbunden ist. Durch Fachpolitiker der Koalition ist zwar geäußert worden, die entsprechenden Ausführungen in der Gesetzesbegründung seien zur Auslegung der gesetzlichen Vorschrift heranzuziehen, so dass auch Unterlassungsansprüche ausgeschlossen seien. Da sich dies im Wortlaut des Gesetzestextes an keiner Stelle niederschlägt, der Gesetzestext jedoch Grenze der Auslegung ist, dürfte diese Auffassung äußerst zweifelhaft sein.
Klarheit hat der Gesetzgeber durch die Neuregelung damit keineswegs geschaffen. Die Frage der Haftung des WLAN-Anbieters dürfte entgegen der in den Medien vertretenen Ansicht damit weiterhin unklar sein. Es bleibt damit nichts anderes übrig, als die Entwicklung der Rechtsprechung und insbesondere eine in Kürze anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zu den hier streitigen Fragen abzuwarten.
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