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Arbeitsrecht im Winter: Rechte und Pflichten bei Sturm, Eis und Schnee
Im Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels sind die Wetterverhältnisse nur wenig winterlich: Bei grauem Himmel regnet es und die Temperaturen befindet sich deutlich im Plusbereich. Noch aber besteht die Möglichkeit, dass der Winter noch einkehrt und somit Schlitten und Schlittschuhe zum Einsatz kommen. So schön eine winterliche Landschaft auch sein kann, bringen Schnee und Eis erhebliche Nachteile mit sich. Dies gilt z.B. für Arbeitnehmer, die arbeitsvertraglich verpflichtet sind, morgens pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Ein Beispiel: Der Arbeitnehmer wohnt in Papenburg, arbeitet jedoch in Leer. Der Abend war zwar regnerisch, aber noch warm. Plötzlich liegt am nächsten Morgen Schnee. Obwohl er durch den Wetterbericht vorgewarnt morgens schon eher los fährt, als sonst üblich, kommt er nur mit Schritttempo voran, weil eingesetzter Eisregen die B70 fast unbefahrbar werden lässt. Die zwangsläufige Folge: Er kommt erheblich verspätet zur Arbeit. Ein wenig verständnisvoller Arbeitgeber droht prompt mit einer Kürzung des Gehalts und erteilt zudem eine Abmahnung mit dem Hinweis, dass im Wiederholungsfalle eine Kündigung erfolge. Zu Recht?
Soweit es die Ankündigung des Arbeitgebers betrifft, das Gehalt kürzen zu wollen, könnte sich eine Rechtfertigung hierfür durchaus aus dem arbeitsrechtlichen Grundsatz “Ohne Arbeit kein Lohn” ergeben. Hiernach wird Entgelt nur geschuldet, sofern die Arbeit auch tatsächlich erbracht wird. Natürlich gibt es auch Ausnahmen von diesem Grundsatz, etwa im Falle der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Für die hier zu beurteilende Frage ist zunächst die Regelung des § 615 Satz 3 BGB zu beachten, die das sogenannte Betriebsrisiko regelt. Dieses trägt grundsätzlich der Arbeitgeber. So hat er dem Mitarbeiter auch dann das vereinbarte Entgelt zu zahlen, wenn der Mitarbeiter seine Arbeitskraft zwar anbietet, allerdings die Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Dies gilt z.B. im Falle einer technischen Störung oder einer Unterbrechung der Energieversorgung.
Folge der Regelung der zitierten Vorschrift ist allerdings nicht, dass der Arbeitgeber für sämtliche Ursachen einzustehen hat, die den Arbeitnehmer daran hindern, seine Arbeit pünktlich zu beginnen. Gerade die Verwirklichung des sogenannten Wege-Risikos stellt eine Ausnahme dar, für die der Arbeitgeber gerade nicht einstehen muss. Das Wegerisiko trägt vielmehr der Arbeitnehmer mit der Folge, dass er für ausgefallene Arbeitszeit wegen einer witterungsbedingten Verspätung tatsächlich das anteilig auf die entsprechende Zeit entfallende Entgelt nicht verlangen kann. Die witterungsbedingte Verspätung gehört zum alleinigen Lebensrisiko, das der jeweilige Arbeitnehmer zu tragen hat. Nicht entscheidend ist hierbei die Frage der Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit. Selbst dann, wenn plötzlich einsetzender Eisregen zu einer Verspätung führt, trägt alleine der Arbeitnehmer das Risiko, rechtzeitig an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen. Sofern der Arbeitnehmer in einem derartigen Fall anbietet, die verpasste Arbeitszeit nachzuholen, ist dies letztlich nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich. Grund hierfür ist, dass zumindest im juristischen Sinne die Nachholung verpasster Arbeitszeit nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich ist. Der Arbeitnehmer kann sich folglich bei einer Verspätung wegen des Wege-Risikos auch nicht auf “höhere Gewalt” berufen. Eine “höhere Gewalt” tritt nur sehr selten ein. Etwa dann, wenn ein Ausnahmezustand herrscht und die Bevölkerung über die Medien aufgefordert wird, aufgrund der widrigen Wetterverhältnisse das Haus lieber nicht zu verlassen.
Sofern unser Beispiel-Arbeitnehmer also tatsächlich wegen des Zuspätkommens weniger Entgelt bekommen sollte, wird er sich hiergegen nicht erfolgreich verteidigen können.
Selbstverständlich allerdings dürfen Arbeitnehmer wegen Schnee und Glätte zu spät zur Arbeit kommen. Dies rechtfertigt allein weder eine Abmahnung, geschweige denn eine Kündigung. Denn die witterungsbedingte Verspätung setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung des Arbeitnehmers voraus, die in derartigen Fällen sicherlich nicht ohne weiteres angenommen werden kann und darf. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass der Arbeitnehmer alles ihm zumutbare versucht haben muss, um rechtzeitig zu erscheinen. Was letztlich zumutbar ist, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalles. Ist z.B. bereits am Vorabend absehbar, dass der Weg zur Arbeit durch die Wetterverhältnisse erschwert werden wird, so kann von dem Arbeitnehmer verlangt werden, dass er seinen Arbeitsweg früher antritt oder – soweit möglich – auf andere Verkehrsmittel ausweicht. Darüber hinaus sollte der Arbeitgeber möglichst frühzeitig, insbesondere im Falle einer längeren Verspätung benachrichtigt werden, damit dieser Gelegenheit hat, ggf. anderweitig zu disponieren, um die Störung der Betriebsabläufe so gering wie möglich zu halten.
In dem hier zugrundeliegendem Beispielsfall wäre dem Mitarbeiter sicherlich der Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung nicht vorzuwerfen. Eine Arbeitgebersanktion wäre deshalb nicht gerechtfertigt und mithin auch nicht wirksam.
Wir wünschen Ihnen, dass Sie gesund und problemlos durch die restliche Winterzeit kommen. Sollte es gleichwohl zu Belastungen des Arbeitsverhältnisses durch derart widrige Umstände kommen, stehen wir gerne mit Rat und Tat zur Seite.
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