Baurecht
Aktuelle Rechtsprechung zum Baurechtachtsfest
Im Rahmen anwaltlicher Tätigkeit ist man gut beraten, stets die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung im Auge zu behalten. Allzu leicht kann es passieren, dass eine Rechtsfrage, die der Bundesgerichtshof (BGH) über lange Zeit gleichbleibend beurteilt hat, plötzlich völlig anders entschieden wird. So geschehen bereits im Februar 2018, als der 7. Senat des Bundesgerichtshofes sich in einem Revisionsverfahren mit der Frage der Regulierung von Ersatzansprüchen auf der Basis von Gutachten oder Kostenvoranschlägen (sogenannter fiktiver Mängelbeseitigungskosten) im Baurecht zu beschäftigen hatte. Dem Rechtsstreit lag folgendes zugrunde:
Zwei Jahre nach der Errichtung und Abnahme eines Einfamilienhauses zeigten sich Mängel in Form von Rissen und Durchfeuchtungen. Der Kläger verlangte zunächst einen Vorschuss zur Durchführung der Mängelbeseitigungskosten. Während des noch laufenden Berufungsverfahrens veräußerte er jedoch sein Haus und verlangte von diesem Zeitpunkt an, fiktive Mängelbeseitigungskosten in Höhe der Nettoreparaturkosten, ohne die Mängel jedoch tatsächlich beseitigen zu lassen. Bis dahin hatte der Bundesgerichtshof diese Art der Abrechnung durchaus für zulässig gehalten.
Auch in anderen Rechtsgebieten, wie etwa dem Mietrecht oder dem Verkehrszivilrecht ist dies auch gegenwärtig üblich. So kann etwa nach einem Verkehrsunfall der Schaden auf Basis eines Gutachtens abgerechnet und der Ersatz der kalkulierten Nettoreparaturkosten beansprucht werden, ohne dass das Fahrzeug repariert wird. Ähnliches gilt für die Abrechnung von Schadensersatzansprüchen im Mietrecht. Für das Baurecht hat der BGH jedoch mit Urteil vom 22.02.2018 in Abkehr von der bisher ständigen Rechtsprechung entschieden, dass diese Art der Abrechnung von Ersatzansprüchen im Baurecht nicht mehr zulässig sei.
Zur Begründung hat der BGH angeführt, dass kalkulierte Reparaturkosten erst dann zum Vermögensschaden werden würden, wenn sie tatsächlich anfallen. Bis zu diesem Zeitpunkt bestehe der Schaden eher darin, dass die tatsächlich von dem Bauunternehmer erbrachte Leistung hinter der vertraglich vereinbarten und geschuldeten Leistung zurückbleibe. Der BGH führt weiter an, dass es im Falle der Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu erheblichen, nicht zu rechtfertigenden Vorteilen auf Seiten des Bauherrn kommen könne. So hänge der Aufwand einer Mängelbeseitigung von verschiedenen Umständen ab, z.B. von der Art des Werks, dem Weg der Mängelbeseitigung, dem Erfordernis der Einbeziehung anderer Gewerke in die Mängelbeseitigung und könne auf diesem Wege die vereinbarte Vergütung, mit der die Parteien das mangelfreie Werk bewertet haben, deutlich übersteigen.
Für den Fall, dass der Bauherr gleichwohl nicht beabsichtige, den Mangel tatsächlich zu beheben, zeigt der Bundesgerichtshof in der Entscheidung zwei Wege auf, wie die Schadensberechnung stattdessen erfolgen könne. Zum Einen könne der Schaden aus der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert des tatsächlichen hergestellten Werks ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert des Bauwerks mit Mangel ermittelt werden. Alternativ hierzu könne der Schaden anhand einer Minderung in der Weise ermittelt werden, dass ausgehend von der für das Bauwerk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Bauwerks wegen des tatsächlich nicht beseitigten Mangels geschätzt wird.
Sowohl Rechtsanwälte als auch betroffene Bauherrn müssen sich daher künftig mit der geänderten Rechtsprechung des BGH befassen. Wenn ein Mangel tatsächlich nicht behoben werden soll, kann er nicht mehr auf die alt hergebrachte Art und Weise berechnet werden.
Fraglich bleibt im Übrigen auch noch, ob die ausdrücklich für das Werkvertragsrecht ergangene Entscheidung des BGH auch Folgen für andere Rechtsgebiete haben kann und wird.
Dies gilt insbesondere auch für das Mietvertragsrecht. So konnte bislang ein Vermieter einen Ausgleichsanspruch für unterlassene Schönheitsreparaturen in Höhe der für eine Schönheitsreparatur erforderlichen fiktiven Kosten grundsätzlich auch dann beanspruchen, wenn die entsprechenden Arbeiten nicht durchgeführt werden. Ersatzansprüche können in diesen Fällen durchaus auf der Grundlage von Kostenvoranschlägen oder Gutachten geltend gemacht werden. Ob dies auch in der Zukunft weiterhin so uneingeschränkt möglich bleiben wird, muss abgewartet werden.
Einmal mehr wird dadurch deutlich, dass sich sowohl Rechtsuchende als auch Rechtsanwälte nicht unbedingt darauf verlassen können, dass die Rechtsprechung statisch ist, sondern erkennen müssen, dass das Recht einer ständigen Fortbildung unterliegt, mithin sich tradiert.
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