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Betriebliche Altersversorgung – auch für die zweite Ehefrau?
Auch wenn jüngere Menschen eher dazu neigen, im Hier und Heute zu leben, hat sich zumindest in einer Frage die Einsicht durchgesetzt, dass es sinnvoll erscheint, sich Gedanken über die Zukunft zu machen, nämlich mit der Frage der Vorsorge für das Alter. Angesichts zahlreicher Berichte über Menschen, die nach dem Arbeitsleben mit knappen Renten auskommen müssen, ist die Frage der Vorsorge für den eigenen Ruhestand in den Fokus gerückt. Neben der “Basisversorgung” aus der gesetzlichen Rentenversicherung spielen hierbei vielerlei Möglichkeiten der privaten Vorsorge eine Rolle, insbesondere aber auch die betriebliche Altersversorgung. Welche Rolle die betriebliche Altersversorgung mittlerweile spielt, ergibt sich deutlich aus der Entwicklung der Anzahl der aktiven Anwartschaften auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung. So ergibt sich aus dem Alterssicherungsbericht 2016 und der von dem Institut TNS Infratest Sozialforschung im Jahr 2015 durchgeführten Befragung der Träger der betrieblichen Altersversorgung, dass die Zahl der aktiven Anwartschaften, die im Jahr der Rentenreform 2001 noch 14,6 Millionen betrug auf 20,4 Millionen im Jahr 2015 angestiegen ist.
In diesem Zusammenhang ist für die betroffenen Arbeitnehmer regelmäßig nicht nur die Frage von Bedeutung, ob und welche Leistungen sie bei Erreichen der Altersgrenzen selber erhalten, sondern insbesondere auch die Frage, ob und in welchem Umfang im Todesfalle ihre Hinterbliebenen, insbesondere die Witwe oder der Witwer Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung beziehen können. Im Zusammenhang mit der Versorgung der Hinterbliebenen hat das Bundesarbeitsgericht sich jetzt mit der Klärung eines bisher sehr umstrittenen Aspekts beschäftigen müssen.
In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit machte die zweite Ehefrau eines zuvor verstorbenen Rentners Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung geltend und beanspruchte bei dem zuständigen Versorgungsträger die betriebliche Witwenrente.
Vorausgegangen war, dass der vormalige Arbeitgeber des verstorbenen Ehemannes diesem am 01.07.1983 eine Versorgungszusage erteilte, in der sich auch eine Regelung zum Bezug der Witwenrente wiederfand. In dieser hieß es ausdrücklich, dass nach dem Tode die jetzige Ehefrau eine lebenslängliche Witwenrente unter der Voraussetzung erhalten solle, dass die Ehe zwischenzeitlich nicht geschieden werde.
Zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage war der Arbeitnehmer in erster Ehe verheiratet. Er ließ sich jedoch im Jahre 2004 scheiden und heiratete im Anschluss daran die zweite Ehefrau, die nunmehr die Witwenrente beantragte. Der Versorgungsträger lehnte die Zahlung der beantragten Witwenrente mit der Begründung ab, eine Versorgung sei nur der Ehefrau geschuldet, mit der der Kläger zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage verheiratet war. Dies treffe jedoch für die zweite Ehefrau – die der verstorbene Arbeitnehmer erst im Jahre 2006 geheiratet hat – nicht zu.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 21.02.2017 (Akt.-Z. 3 AZR 297/15) hierzu eine sehr differenzierte Entscheidung getroffen und die Klage auf Zahlung einer Witwenrente abgelehnt. Das BAG ist in der Entscheidung tatsächlich davon ausgegangen, dass mit der “jetzigen” Ehefrau im Sinne der Versorgungszusage nur diejenige Ehefrau gemeint sei, mit der der verstorbene Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage verheiratet war, nicht jedoch die zweite Ehefrau, die er erst im Jahre 2006 geheiratet hat.
Zur Begründung hat das Gericht angeführt, es handele sich bei dem Inhalt der Versorgungszusage um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die der besonderen gesetzlichen Inhaltskontrolle unterliegen. Zwar sei die Geltung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Arbeitsverhältnisse erst ab 01.01.2002 vorgesehen, nach einer Übergangsregelung im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch finden die gesetzlichen Schutzvorschriften jedoch spätestens seit dem 01.01.2003 Anwendung auf Dauerschuldverhältnisse, wie etwa solche aus einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis. Vor diesem Hintergrund ist das Gericht zwar davon ausgegangen, dass die Beschränkung auf die Ehefrau, die im Zeitpunkt der Zusage mit dem Arbeitnehmer verheiratet war, eine unangemessene Benachteiligung darstelle, was nach § 307 BGB dazu führe, dass die Klausel an sich unwirksam sei. Gleichwohl war das Gericht der Ansicht, dass die zweite Ehefrau keinen Anspruch habe, da eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen sei. In der vorzunehmenden Abwägung ist das Gericht sodann davon ausgegangen, dass eine Hinterbliebenenversorgung nur geschuldet sein soll, wenn die zugrundeliegende Ehe tatsächlich bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses bestand. Anderenfalls würde der Arbeitgeber bzw. Versorgungsträger nahezu unbeschränkt allen Risiken ausgesetzt sein, die bei einer späteren Eheschließung entstehen. Erfasst von der Hinterbliebenenversorgung wären insbesondere auch solche Ehen, bei denen etwa der Altersunterschied besonders groß sei oder die erst lange Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen werden. Die Interessen des Arbeitnehmers an einer Versorgung auch der zweiten Ehefrau müssten hiernach zurückstehen, weil eine derartige Regelung zumindest im Zeitpunkt des Abschlusses der Versorgungsvereinbarung nicht offensichtlich unwirksam war.
Folge war, dass die Ehefrau in diesem Fall tatsächlich leer ausging. Anders dürfte dies aber dann zu beurteilen sein, wenn die Zusage ab dem 01.01.2002 erteilt worden wäre: Da hier im Zeitpunkt der Erteilung die AGB-Kontrolle bereits galt, dürfte die Notwendigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung entfallen und die Klausel wegen unangemessener Benachteiligung auch unwirksam sein. Im Einzelfall kann daher eine fachanwaltliche Beratung nur angeraten werden.
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